Fast fünf Monate vor der tödlichen Attacke in Aschaffenburg war der Verdächtige – erneut – im Fokus eines Polizeieinsatzes. Doch ermittelt wurde in der Folge nicht. Zu Unrecht?
Hätte ein Polizeieinsatz gut fünf Monate vor dem tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg zu Ermittlungen gegen den Verdächtigen führen müssen? Diese Frage untersuchen nun die Staatsanwaltschaft Coburg und das Bayerische Landeskriminalamt. Wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, wird gegen Polizisten wegen des Verdachts der Strafvereitelung ermittelt. Konkret geht es um einen Vorfall am 29. August 2024 in einer Flüchtlingsunterkunft in Alzenau im Landkreis Aschaffenburg. Weitere Einzelheiten wurden zunächst nicht genannt, da sich das Verfahren nach einer Strafanzeige noch in einem frühen Stadium befinde. Die Staatsanwaltschaft Coburg wurde auf Anweisung des Generalstaatsanwalts in Bamberg mit den Ermittlungen betraut. Das Polizeipräsidium Unterfranken äußerte sich dazu bisher nicht.
Der Afghane, der am 22. Januar in einem Park in Aschaffenburg zwei ihm unbekannte Menschen getötet haben soll, soll bei dem Vorfall in Alzenau betrunken und aggressiv gewesen sein. Nach Angaben des Bayerischen Innenministeriums rückte die Polizei aus, weil ein Streit unter den Bewohnern gemeldet worden war. Dabei soll der 28-Jährige von Mitbewohnern in seinem Zimmer fixiert worden sein. Seine damalige Lebensgefährtin war verletzt, doch laut Innenministerium machte sie damals keine Angaben dazu, wie es zu den Verletzungen gekommen war. Obwohl der Verdächtige zunächst in Gewahrsam genommen wurde, ergaben die anschließenden Ermittlungen laut Innenministerium „keine weiteren Hinweise auf strafbares Verhalten“. Dies teilte das Ministerium jüngst auf eine Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Florian von Brunn mit.
Erst später – während einer Vernehmung nach der Gewalttat vom 22. Januar – gab die mutmaßlich Geschädigte an, dass sie in Alzenau mit einem Messer angegriffen worden sei. Eine Zeugin äußerte sich nach dem tödlichen Angriff auf die Kindergartengruppe in Aschaffenburg ähnlich in mehreren Medien. Da die Frau zunächst keine genauen Angaben machte, geht die Polizei davon aus, dass der mutmaßliche Messerangriff am 29. August 2024 stattfand. Erst auf dieser Grundlage wurde gegen den Verdächtigen ein Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung eingeleitet.
Da Hinweise auf eine psychische Erkrankung des 28-Jährigen vorliegen, wurde dieser nach der tödlichen Messerattacke auf einen Zweijährigen und einen 41-jährigen Vater im Januar in einer geschlossenen Psychiatrie untergebracht. Der ausreisepflichtige Mann war bereits vor der Tat wegen mehrerer Körperverletzungsdelikte polizeibekannt und mehrfach vorübergehend in psychiatrischer Behandlung. Nach Angaben des Innenministeriums gab es zu dem Beschuldigten 18 Strafverfahren in 12 Tatkomplexen in Bayern sowie vier weitere Verfahren in Hessen. Fünf dieser Verfahren wurden eingestellt, in zwei Fällen wurden Geldstrafen verhängt. Die übrigen Verfahren sind noch anhängig.