Öffentlichkeitswirksame Fälle ziehen immer mehr Hassbotschaften für die zuständigen Anwälte nach sich. Laut dem Rechtsanwalt Dirk Lammer ist das zwar kein neues Phänomen, dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht im Deutschen Anwaltverein zufolge hat sich diese Entwicklung jedoch in den letzten Jahren immer mehr verstärkt – gerade auch mit dem Siegeszug sozialer Netzwerke. Dort sei der Umgangston im Schutz der gefühlten Anonymität oft besonders rau. In dem Anwaltverein sind insgesamt 3.200 Anwälte organisiert.
Den zunehmenden Hass bekommt derzeit auch ein Würzburger Strafverteidiger zu spüren. Denn ein besonders öffentlichkeitswirksamer Fall war der des Somaliers, der am Abend des 25. Junis drei Frauen mit einem Messer getötet hat. Da der Anwalt Hans-Jochen Schrepfer zu dieser Zeit „Strafverteidiger-Notdienst“ hatte, wurde er in den Fall involviert. Der Familienvater wurde so quasi „unverschuldet“ zum Pflichtverteidiger des Somaliers. Seitdem haben ihn viele Hassnachrichten erreicht – Alleine in den ersten beiden Wochen nach der grausamen Taten waren es laut Schrepfer 80 bis 100 Mails gewesen. Wegen des enormen Drucks auf die gesamte Kanzlei habe er sogar eine Sekretärin verloren, die deshalb aufgehört hat.
Erst kürzlich habe ihn wieder ein Schreiben mit folgendem Inhalt erreicht: „ Ich wünsche Ihnen nur eines, dass Sie das Gleiche erfahren wie die Angehörigen der getöteten Mädchen. (…) Es findet sich vielleicht jemand, der Ihnen mit einer 9mm-Kugel endlich das Handwerk legt. Gruß und Schuss, ein eigentlich friedlicher Bürger.“ Obwohl sich Hans-Jochen-Schrepfer den Fall des Würzburger Messerstechers nicht ausgesucht hat und nur seinen Job ausübt, erhält er also Morddrohungen. Dabei hat laut ihm jeder, der im Verdacht steht, eine schwere Straftat begangen zu haben, Anspruch auf einen Pflichtverteidiger. Die Situation sei belastend, auch wenn er versuche, die Nachrichten so gut es geht zu ignorieren. Wahrscheinlich kommt es 2022 am Landgericht Würzburg zur Verhandlung der Messerattacke.