Wie geht es weiter? Wie ist der Stand ihres Asylverfahrens und wann können
die Familien nachkommen? Es ist die Ungewissheit, die an den 170
Flüchtlingen nagt, die seit etwa zwei Wochen in einer Notunterkunft zur
Erstaufnahme in der vorderen Zellerau untergebracht sind. Die Gerüchteküche
ist kräftig am Brodeln. Manche halten schon stolz ihre Aufenthaltsgestattung
in der Hand. Immer wieder dürfen einige weiter in eine dezentrale
Unterkunft. Andere warten noch ungeduldig.
Rasch spricht sich herum, dass Politiker zu Besuch sind. Kaum betreten sie
das Zelt, bildet sich eine Menschentraube junger Syrer. Mitten drin: Die
beiden SPD-Landtagsabgeordneten Georg Rosenthal und Volkmar Halbleib, und
die SPD-Stadtratsmitglieder Stadträtin Laura Wallner und der
SPD-Fraktionsvorsitzende Alexander Kolbow. Ein etwas älterer Mann
vermittelt. Mit Yener Yildirim, einem Mitarbeiter der Regierung, begleitet
ein gebürtiger Türke, der fließend Arabisch spricht, die Besuchergruppe.
„Noch sind die Fernsehbilder von der euphorischen Begrüßung der
Neuankömmlinge an den Bahnhöfen präsent“, weiß der SPD-Landtagsabgeordnete
Georg Rosenthal. Er warnt jedoch davor, dass rasch Ernüchterung eintritt.
„Wir müssen daran arbeiten, dass die Stimmung bei den Flüchtlingen und in
der Bevölkerung nicht kippt“, sagt er. „Es gibt viele Ehrenamtliche, die
nicht nur von Willkommenskultur reden, sondern sie auch leben und vieles
auffangen“, freut sich Volkmar Halbleib. Viele kennt der frühere
Oberbürgermeister von Würzburg, Georg Rosenthal, noch von früheren Aktionen
oder der Arbeit in der großen Gemeinschaftsunterkunft persönlich. Begleitet
wurde die Gruppe von der Flüchtlingsunterstützerin und Herausgeberin des
Flüchtlingsmagazins „Heimfocus“ Eva Peteler.
Dass die Unterbringung in einem Notzelt im Herbst hierfür alles andere als
ideal ist, bezweifelt keiner. Auch die Verantwortlichen der Regierung sehen
dies so. Dass jedoch auch nach zwei Wochen noch immer nicht feststeht, bis
wann die von der Regierung zugesagten, festen Wohnmodule stehen, ist nur
schwer zu verstehen: „Da muss sich möglichst schnell was tun. Woanders geht
das doch auch“, kritisiert etwa Stadträtin Laura Wallner. Von ehrenamtlichen
Helfern hat sie erfahren, dass sie bereits jetzt morgens dicke Jacken
benötigen.
Die freiwilligen Helfer unterschiedlicher Helfergruppen fühlen sich von der
Regierung alleine gelassen. „Die haben offensichtlich Schwierigkeiten,
überhaupt einen Ansprechpartner zu finden“, hat Stadträtin Laura Wallner von
Helfern erfahren. Ohne professionelle Unterstützung geht es nicht, sind sie
sich einig. Die Regierung zeigt mit dem Finger auf die Stadt. Dort gibt es
zwar einen Ehrenamtskoordinator, der ist jedoch nur einmal in der Woche in
der Unterkunft in der Zellerau und noch dazu für sämtliche Ehrenamtliche im
Stadtgebiet zuständig.
Zwar sorgt die Regierung für die Versorgung mit Lebensmitteln mit
Lunchpaketen gesorgt, es gibt einen Sicherheitsdienst und eine
Hausverwalterin. Doch es fehlt an grundlegendem. Es fehlt an klaren und
verbindlichen Informationen, an einem Betreuer, der den ständig wechselnden
Flüchtlingen Rede und Antwort steht. Eine psychologische oder pädagogische
Betreuung findet nicht einmal ansatzweise statt. Auch Übersetzer, die mit
den Sorgen und Nöten der Flüchtlinge vertraut sind, werden dringend
gebraucht.
Besser löst dies die Stadt, die in der Kürnachtalhalle im Stadtteil Lengfeld
eine weitere Notunterkunft eingerichtet hat, hat der Fraktionsvorsitzende
der SPD-Stadtratsfraktion, Alexander Kolbow, beobachtet: „Es gibt keinen
Zaun, die Atmosphäre ist deutlich entspannter.“ Mit Kilian Bundschuh gibt es
einen erfahrenen Sozialpädagogen, der immer vor Ort ist. Eine ebenso wie er
interkulturell erfahrene Kollegin unterstützt ihn zeitweise. Auch plant die
Stadt, ihr Personal vom Hausmeister bis zum Sozialarbeiter weiter
aufzustocken. „Die Regierung sollte Verantwortung übernehmen und nicht die
soziale Betreuung allein auf die Kommunen abwälzen“, kritisieren beide
SPD-Stadtratsmitglieder.
Noch gilt es, vor allem die Probleme des Tages zu klären. So sind etwa
Feldbetten oder Bauzäune, die in den Unterkünften für ein Minimum an
Privatsphäre sorgen sollen, nur noch schwer zu bekommen. Doch schon jetzt
ist es nötig, weiterzudenken, sind sich die SPD-Politiker einig. Vielfach
kommen erst nach Monaten die Folgen von Trauer, Missbrauch oder Heimweh zum
Vorschein. Auch dürfen die Flüchtlinge mit einer gültigen
Aufenthaltsgenehmigung schon nach drei Monaten arbeiten. Nicht in allen
Fällen wird der Übergang in eine Lehre oder den Arbeitsmarkt jedoch einfach
vor sich gehen. „Die Sprache ist der Schlüssel für alles“, weiß Rosenthal
und warnt davor, frühere Fehler mit den völlig unterfinanzierten
Integrationskursen des BAMF zu wiederholen. „Es geht nun darum, die Euphorie
und den Elan der Neuankömmlinge in eine ruhige und reibungslose Integration
zu überführen.“