Würzburg setzt ein kraftvolles Zeichen gegen das Vergessen: Mit mittlerweile 712 Stolpersteinen ist die Stadt bayernweit führend im stillen Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. Jeder einzelne Stein erinnert an ein Schicksal, an Menschen, die entrechtet, verfolgt und ermordet wurden. Die jüngste Verlegung fand in der Virchowstraße statt – und rückte ein besonders verdrängtes Kapitel der NS-Verbrechen in den Fokus.
Vor Hausnummer 6 in der Virchowstraße versammelten sich am Dienstag zahlreiche Menschen, um der Verlegung von fünf neuen Stolpersteinen beizuwohnen. Besonders gewürdigt wurde Gabriele Schelble, die mit 26 Jahren in das Haus einzog. 1940 fiel sie dem sogenannten Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten zum Opfer, da sie an Schizophrenie litt. Die Initiative „Omas gegen Rechts“ übernahm die Patenschaft für ihren Stein und erinnerte eindringlich daran, wie wichtig das Erinnern an alle Opfergruppen ist – nicht nur an jüdische Menschen, sondern auch an psychisch Kranke, Homosexuelle und weitere stigmatisierte Personen.
Die Verlegung war geprägt von großer Anteilnahme. Blumen wurden niedergelegt, Gesichter waren bewegt – und es wurde still. Eine Schweigeminute erinnerte an das Leben und das Leid von Gabriele Schelble. 85 Jahre nach ihrem Tod wurde ihr symbolisch ein Stück ihrer Geschichte und Würde zurückgegeben. Die Gedenkaktion zeigte eindrucksvoll, wie präsent das Geschehene auch heute noch ist – und wie sehr es Menschen berührt.
Die Stolpersteine in Würzburg sind mehr als bloße Mahnmale – sie bringen das Erinnern direkt auf die Straße, mitten in unseren Alltag. Für die „Omas gegen Rechts“ ist das Engagement auch ein klares Statement gegen aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen. In Zeiten, in denen rechte Strömungen und Antisemitismus wieder zunehmen, sei es besonders wichtig, Haltung zu zeigen und aus der Vergangenheit zu lernen. Jeder Stein mahnt: Geschichte darf sich nicht wiederholen.