Es ist ein Trend der vielen Landkreisen auch in Unterfranken Sorge bereitet: immer mehr Menschen fliehen in Metropolregionen, während ländliche Strukturen langsam aussterben. Landlust statt Landflucht gibt hingegen im Weinlandkreis Kitzingen – genauer gesagt in Mainbernheim. Dort lockt das Konzept „Albergo Diffuso“ zum Touristinnen und Touristen von nah und fern in das Markgrafenstädtchen.
Gelegen an der alten Handelsstraße zwischen Nürnberg und Frankfurt kamen schon immer Reisende durch die ehemals „Freie Reichstadt“ Mainbernheim. Kultur, Wein und die vielen Sehenswürdigkeiten locken auch heute noch zahlreiche Touristen in die nostalgische Altstadt. Einer der ersten Anlaufpunkte ist dabei meist das Café mitten im Städtle.
„Ich fungiere eigentlich, wenn sie hier oft stranden oder Interesse haben. Ich bin gebürtig hier, ich bin hier aufgewachsen, mein Vater war Stadtführer, ich kenne mich gut aus. Ich gebe Prospekte her, leite sie an und mache natürlich Werbung für unser Konzept. Und es kommen auch viele wieder. Also heuer waren schon paar Ehepaare, die waren letztes Jahr bei mir als Gast und die melden sich dann wieder, kommen zu Kaffee und Kuchen und sagen sie sind jetzt da. Und dadurch, dass Mainbernheim so klein ist und man sich mittlerweile gut verlinkt, haben wir uns dann im Weingut getroffen. Ein Schnäppchen getrunken bei Schalk und Rausch. Und so entwickelt sich das.“, so Besitzerin Susanne Bergner.
Übernachten können die Touristinnen und Touristen zum Beispiel im über 300 Jahre alten Winzerhaus mit dem wildromantischen Hinterhof in der Judengasse. Erwin Reidelbach und seine Frau Hiltrud sind aber nicht die einzigen, die ein solches historisches Schmuckstück anbieten. Unter dem Motto „Die ganze Altstadt ist Ihr Hotel“ bietet der Verein Albergo Diffuso modernes Wohnen in alten Gemäuern. Entstanden war die Idee in Italien, als immer mehr Häuser, die eigentlich unter Denkmalschutz stehen sollen, verfielen. Die Lösung: man schloss sich zusammen und baute ein Albergo Diffuso auf oder zu gut Deutsch die über den Ort verteilte Herberge. Diese Idee fruchtete vor ein paar Jahren auch im Städtchen Mainbernheim.
„Zu der Zeit war eben in Mainbernheim ja viel Leerstand von älteren Gebäuden. Und ja, dann sind wir da auf den Zug mit aufgestiegen, da aufgesprungen und sind dann gefördert worden. Und in dem Rahmen sind wir dann auch nach Italien gefahren und haben uns dort in der Region Friaul zwei Bergdörfer angeschaut, in denen das schon praktiziert wurde. Und dann sind wir anschließend noch nach Südtirol, nach Neumarkt gefahren. Dort war es noch in den Kinderschuhen. Und dann sind wir voller Elan und voller Tatendrang wieder nach Hause gefahren. Und dann haben wir es angefangen umzusetzen.“, erinnert sich Erwin Reidelbach.
Teil des Projekts sind auch Janine und Elmar Scheller mit ihrem Fränkischen Cottage. Eigentlich wollte Elmar Scheller das Nebengebäude seines Wohnhauses, das vermutlich um 1900 gebaut wurde abreisen – viel zu sehr in die Jahre gekommen wirkte das ehemalige Bauernhaus mit angrenzendem Ziegenstall. Doch seine Frau Janine setzte sich durch und so wurde aus dem einstigen Leerstand das gemütliche Ferienhäuschen mit dem kleinen Vorgarten.
„Ich sage immer so schön, das war so ein Familienprojekt, da hat der Sohn mitgeholfen, die Tochter mitgeholfen, der Onkel, die Eltern. Und ja, es war, ich sage mal so, wenn man gewusst hätte, auf was man sich am Anfang drauf einlässt, hätte man vielleicht gezögert und hätte vielleicht noch mal überlegt. Aber es hat im Endeffekt Spaß gemacht. Es war halt sehr zerfallen und wir haben dann versucht, so eben die alten Sachen, die Bausünden, die wo in den 60er, 70er Jahren gemacht worden sind, wieder zu beseitigen und versucht die alte Substanz wieder zu zeigen. Oben ist zum Beispiel der Dielenboden, die Tragbalken, die Spannen sind wieder freigelegt und sind abgeschliffen. Das eigentlich wieder so der alte Stil wieder zum Vorschein kommt.“, schwärmt Elmar Scheller.
Das besondere Erlebnis eines Albergo Diffuso: Die Besucherinnen und Besucher werden in den Kleinstadtalltag integriert. Die Gassen des Dorfes werden zum Hotelflur, der Marktplatz wird zur Aufenthaltsraum, zu Kaffee und Kuchen trifft man sich in Susanne Bergners Café und am Abend zum Beispiel im ehemaligen Marktgräflichen Kastenamt. Hier wollten Ute Rauschenbach und ihr Mann Dieter Gottschalk eigentlich auch einen Raum für das Albergo Diffuso anbieten, doch dann kam alles ein bisschen anders:
„Also seit ziemlich genau fünf Jahren haben wir ein kleines Weingut eröffnet. Wir haben praktisch bei Null angefangen. Mein Mann hat die Winzerausbildung gemacht, in Veitshöchheim. Und ich habe letztes Jahr den Weingästeführer-Kurs auch in der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau gemacht und seitdem läuft’s.“, erzählt uns Ute Rauschenbach.
Und so können die Gäste nun zwar nicht in dem Gebäude von sage und schreibe 1482 übernachten – dafür aber in der Amtsstube unter der Stuckdecke echten Mainbernh eimer Wein verkosten oder aber in den Sommermonaten in der Heckenwirtschaft einkehren.
Nicht weit davon hat auch Susanne Pfeifer ihr Bed&Breakfast. Dort hat die ehemalige Architektin den ehemaligen Stall und das dazugehörige Weinbauernhaus aus dem 15. Jahrhundert nachhaltig saniert. Und wie könnte es anders sein – auch sie wurde vom Gedanken des Albergo Diffuso angesteckt und teilt ihr Zuhause nun mit Gästen die das fränkische Idyll besuchen.
„Ich muss sagen, ich habe durchweg nur gute Erfahrungen gemacht. Es sind ganz unterschiedliche Klientel. Das sind ältere Personen, die einfach mal hier die Weingegend erkunden wollen. Sind einige Radfahrer, viele Radfahrer. Wenn das Wetter passt, so die auch die Gegend und eben Mainschleife entlang des Mains auch viel Fahrrad fahren. Und es sind Familien und Gruppen, die hier unterkommen. Und da zeigt sich halt wieder Albergo Diffuso, also nicht nur bei mir unterkommen als Großfamilie, sondern eben auch woanders und sich dann eben hier abends treffen.“, so Susanne Pfeifer
Albergo Diffuso in Mainbernheim könnte man also auch so übersetzen: umgeben von historischen Stadtmauern die Hektik des Alltags hinter sich lassen und die unterfränkische Gastlichkeit genießen.