Gut ein Jahr ist es nun her, dass Cannabis in Deutschland teillegalisiert wurde. Seitdem dürfen Privatpersonen bis zu drei Pflanzen zum Zwecke des Eigenkonsums anbauen. Anbauvereinigungen hatten – insbesondere in Bayern – lange Schwierigkeiten, die entsprechenden Lizenzen zu erhalten. Ende April dann die Nachricht, dass die ersten drei Cannabisclubs im Freistaat offiziell mit dem Anbau starten können. Während sich der Bereich „Genussmittel“ also noch in einem schleppenden Prozess befindet, boomt der Deutsche Markt auf medizinischer Ebene schon seit geraumer Zeit. Wir haben einen Hersteller in Unterfranken besucht und spannende Einblicke in die Produktion erhalten.
Hier erfolgt alles unter strengster Geheimhaltung und hohen Auflagen. Nur das Klicken der Scheren ist zu hören, wenn die Mitarbeitenden die sogenannten Buds, also die Cannabisblüten, möglichst einheitlich zuschneiden. Konkret heißt das: Die Zuckerblätter und überflüssigen Stängel werden entfernt. Doch das Unternehmen Cantourage, bei dessen Produktionsstätte im Landkreis Schweinfurt wir zu Besuch sind, baut die Pflanzen nicht selbst an, sondern bekommt sie aus den verschiedensten Ländern geliefert, erklärt uns Vorstandsvorsitzender Philip Schetter.
„Also grundsätzlich importieren wir Rohware. Und haben da ein Netzwerk aufgebaut von Anbaupartnern aus der ganzen Welt. In der Spitze waren es 18 Länder die uns versorgt haben mit Cannabis. Und über 65 Partner. Aktuell kommt aber ein Großteil der Ware aus Kanada.“
Trifft die Pflanze vor Ort ein, stehen diverse Produktionsschritte an: Als erstes eine Kontrolle auf mögliche Schadstoffe – sollte die Pflanze hier nicht den angeforderten Standards entsprechen, wird sie im Zweifelsfall keimreduziert oder sogar vernichtet. Darauf folgen das Trocknen und das Trimmen. Bevor es aber in die Handarbeit geht, wird das Material in einen mechanischen Trimmer gegeben, der schon etwas Vorarbeit leistet. Haben die Blüten dann die gewünschte Form, fehlen nur noch das Abwiegen und Verpacken bevor sie schließlich an die Apotheken verschickt werden. Das alles geschieht unter strikten Hygienevorschriften.
„Es gibt da EU-weite Richtlinien, nennt sich GMP. Die genau regelt, unter welchen Bedingungen Arzneimittel hergestellt werden sollen bzw. müssen. Und bei uns ist es eben in einer nahezu Reinraum-Umgebung. Und wir müssen Sorge tragen, dass keine Verunreinigungen reingetragen werden. Daher die besonderen Anzüge, Mund- und Haarschutz. Und auch drinnen haben wir eben verschiedenste Technik, die dafür sorgt, dass möglichst in Reinraumbedingungen gearbeitet wird“, so Schetter.
Das Start-up Cantourage mit Hauptsitz in Berlin, wurde 2019 gegründet. Als dann 2022 die entsprechenden Lizenzen für die Herstellung von medizinischem Cannabis vorlagen, konnte erstmals vom unterfränkischen Standort an Deutsche Apotheken abgegeben werden.
„Und seitdem wachsen und gedeihen wir. Haben letztes Jahr über 50 Millionen Euro Umsatz gemacht, im ersten Quartal ’25 über 25 Millionen. Und dabei ganz atypisch für ein (Berliner) Startup wenig Geld verbrannt und arbeiten schon profitabel“, so der Vorstandsvorsitzende.
Die Rechnung scheint also aufzugehen – die Nachfrage nach medizinischem Cannabis ist höher denn je. Und auch die Sortenvielfalt steigt mit der Zeit. Unter Anderem abhängig vom jeweiligen Gehalt an Tetrahydrocannabinol, kurz THC, oder etwa auch den sogenannten Terpenen, also Ätherischen Ölen, ergeben sich unterschiedliche Wirkungsprofile. Im medizinischen Bereich ist eine Cannabis-Therapie definitiv nicht für jeden Menschen geeignet. Die individuelle Situation sollte gemeinsam mit dem behandelnden Arzt betrachtet werden – häufig lautet die Devise Ausprobieren und langsam Herantasten bis man eventuell die richtige Sorte findet. Im Vergleich zu anderen Gebieten ist das Feld „Cannabis“ noch relativ neu. In welchen Anwendungsbereichen hat sich das grüne „Spezial-Material“ also schon bewährt?
„Grundsätzlich muss man festhalten: Cannabis heilt keine Krankheiten, aber hilft eben gut mit Krankheiten umzugehen, also Krankheiten zu managen. Und Hauptanwendungsfelder sind häufig chronische Schmerzen, aber auch Begleitung von Krebs- und HIV-Therapien. Aber auch zunehmend Themen wie Schlafstörung. Und es zeigt sich eben, dass Cannabis gut wirkt und eher wenig Nebenwirkungen hat. Gerade Beispiel chronische Schmerzen: Wenn ich da über Wochen, Monate, Jahre regelmäßig Medikamente nehmen muss – da hilft Cannabis gut. Häufig wurden sonst Opiate verschrieben, wo ich dann ein gewisses Abhängigkeitsprofil haben kann“, erläutert Schetter.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Cannabis kann Erkrankten neue Wege eröffnen – eine Anwendung im Therapiebereich sollte aber immer mit ärztlicher Beratung erfolgen. Und auch sollte unter keinen Umständen leichtfertig an das Thema Cannabis herangegangen werden, da es sich dabei immer noch um ein Suchtmittel handelt. Durch die Produktion auf medizinischem Standard müssen sich Konsumenten jedoch zumindest keine Sorgen über eventuelle Verunreinigungen machen, wie sie möglicherweise auf dem Schwarzmarkt gegeben sind.