Camouflage, mehrere Tonnen schwer und massiv gepanzert. Betritt man das Gelände der ehemaligen Kaserne in Mellrichstadt, empfangen einen die Vorderläufe von mehreren Panzern. Im Einsatz sind die allerdings schon lange nicht mehr. Sie sind Relikte einer längst vergangenen Zeit, machen aber auch darauf aufmerksam, dass nicht alle Gebäude auf dem Gelände leer stehen.
Der Verein „Kameradschaft und Freundeskreis der Garnison Mellrichstadt“ hatte sich vor nun mehr als 10 Jahren die Aufgabe gemacht, das ehemalige Stabsgebäude neu einzurichten und zu betreiben. Mit seinen 300 Mitgliedern wurden nach und nach immer mehr historische Gegenstände und Informationen zur damaligen Zeit zusammengetragen. Etwas ganz besonderes, so Udo Straub, Vorsitzender des Vereins. Denn in dem Gebäude, das sich als einziges auf dem Gelände in Originalzustand befindet, sind 44 Jahre Geschichte der Kaserne zusammengefasst.
Damals, 1962, herrschte noch reger Betrieb in dem ehemaligen Stabsgebäude. Heute wirkt die Zeit dort fast wie stehengeblieben. Denn das Dokumentationszentrum bietet einen authentischen Einblick in die damalige Zeit. Im Erdgeschoss gibt ein Miniaturmodell Aufschluss darüber, wie die Kaserne zu Zeiten als die Bundeswehr dort noch stationiert war, ausgesehen hatte. Rund 1.000 Soldaten waren in der Kaserne untergebracht. Sie war Heimstadt des Panzergrenadierbataillons 352 und wurde 1962 in Betrieb genommen. Und das aus einem ganz bestimmten Grund: Der Standort war nur 6 Kilometer von der innerdeutschen Grenze entfernt. Die Stadt Mellrichstadt hatte dem Bund den Ortsteil zur Verfügung stellen müssen, denn: gepanzerte Kräfte, die sofort verfügbar sein konnten, waren für die Verteidigung der Grenze zu Zeiten des Kalten Krieges essenziell. Auf verschiedenen Tafeln werden dessen Phasen bis hin zum Ende thematisiert. Und auch der Zusammenhang mit der Kaserne Mellrichstadt wird dargestellt.
Denn die B19 war kurz nach der Eröffnung der Grenze völlig verstopft und viele Soldaten waren erst mal gar nicht mehr nach Hause gekommen, verrät Süßmann, der als damaliger Wehrpflichtiger die Zivilisten, die aus der DDR kamen, früh morgens um 5 Uhr mit Tee versorgt hatte.
An Erinnerungsbildern und Flaggen vorbei geht es weiter ins Obergeschoss. Dort begrüßen einen in den unterschiedlichen Zimmern Soldaten in verschiedensten Tätigkeitsbereichen. Puppen, die ihren Wehrdienst wohl noch nicht abgeleistet haben. Mit starrem Blick machen sie den Bezug zur damaligen Realität noch deutlicher. Ob aus dem Schützengraben heraus oder im Büro, die in der Hainbergkaserne stationierten Soldaten, hatten keinen einfachen Alltag. Ruhe fanden sie nur in ihren Zimmern, den sogenannten Stuben. Ausgestattet waren die Stuben in der Kaserne in Mellrichstadt mit den sogenannten Olympiamöbeln. Diese hatten zuerst im Olympischen Dorf gestanden, waren dann allerdings an die Bundeswehr überführt worden. Auch hier, am privatesten Ort für die Soldaten, herrschte strenge Disziplin.
Unter anderem mit Panzerfäusten, Granaten und allerlei Handfeuerwaffen hätten sich die Soldaten damals im Ernstfall verteidigt. Dabei war der Kalte Krieg keiner der kriegerischen Mittel gewesen. Der Konflikt wurde mit Propaganda, Drohungen und zu einem Großteil auch mit Spionage ausgetragen. Denn: bis zum Fall der Mauer 1989 hatte ein erbitterter Agentenkrieg zwischen dem kapitalistischen Westen und dem kommunistischen Osten geherrscht. Immer wieder war es den Geheimdiensten gelungen, Maulwürfe beim Gegner einzuschleusen und ihn so zu unterwandern.
Doch was wäre passiert, wäre der kalte Krieg zum heißen Krieg geworden? – also im Falle eines Atomkriegs? Wenn ein Krieg ohne Waffen nicht mehr möglich gewesen wäre. Denn der Zusammenhang zu den aktuellen Geschehnissen auf der Welt ist groß. Russland und die Ukraine bekämpfen sich nun schon seit geraumer Zeit. Und das auch mit schwerem Geschütz. Putin hatte bereits des Öfteren mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht und es stellt sich die Frage: Könnte man ähnlichen Aggressionen Russlands wie zu Zeiten des Kalten Kriegs überhaupt standhalten? Die Lage ist zunehmend angespannt. Die Mitglieder des KfG sehen hier die Nato im Handlungsbedarf. Die Fähigkeiten sollten überprüft werden. Früher waren Atomwaffen der „Treibstoff“ des Kriegs. Macht, Durchsetzungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit wurden anhand des atomaren Arsenals bemessen. So lag die Zahl der amerikanischen Nuklearwaffen im Jahr 1990 bei ca. 22.000 Stück. Die Sowjetunion hatte sogar ein Arsenal von über 33.000 Atomwaffen. Zu einem nuklearen Angriff kam es allerdings nie. Auch heute haben die USA als auch Russland die größten nuklearen Arsenale. Beide werden mit rund 6.000 Sprengköpfen bemessen. Völlig schutzlos wäre man in Mellrichstadt nicht gewesen. Das wird im Keller des Dokuzentrums deutlich.
Unter jedem Gebäude befanden sich zwei unterschiedliche Schutzraumtypen. Schutzräume der Schutzklasse 1. Vor einer Sprengwirkung wie beispielsweise der der Atomdetonation in Nagasaki wäre man hier sicher gewesen. In den BW50 Außenbunkern wären rund 1.550 Menschen untergekommen. In den großen und kleinen Kellern rund 1450. 3.000 Menschen hätten insgesamt Platz gefunden. Ausgestattet mit Räumen zur Entgiftung war man sowohl gegen biologische als auch chemische Angriffe gewappnet. Noch einen Stock tiefer ging es in den Atombunker. Viel die automatische Entlüftung aus, musste man die Lüftungsanlage manuell bedienen. Mit Notfallverpflegung war angedacht dort maximal 36 Stunden auszuharren. Ein Mahnmal der damaligen Zeit, denn: zum Ausbruch des Atomkriegs war es nie gekommen. Trotzdem war die Angst schon immer groß und ist auch heute noch tief in der Bevölkerung verankert. Die Frage danach wird laut, ob der Bunker auch heute noch Sicherheit bieten könnte. 2006 wurde der Kasernenstandort Mellrichstadt bereits aufgegeben. Denn aufgrund seiner geringen Größe war er wirtschaftlich nicht mehr rentabel. Der Bunker bietet einen Einblick in die Historie, hat vor allem aber auch aktuelle Relevanz. Denn im Falle eines Falles wäre eine Reaktivierung wohl billiger als der Bau völlig neuer Bunkergebäude, so Süßmann. Erstmal wird er aber Ausstellungsstätte bleiben. Während das Licht dort nur zwielichtig durch künstliche Lampen erzeugt wird, sieht es draußen deutlich freundlicher aus.
Doch auch da ist die Abnutzung des ehemaligen Kasernengeländes sichtbar. Mit dicken Ketten abgesperrte Gebäude, die schon bessere Tage gesehen haben, stehengebliebene Uhren und zersprungene Fenster – auch vereinzelte Graffiti’s sind zu sehen. Vor allem sei es aber wichtig, wieder zu lernen, wie Landesverteidigung funktioniert, so Udo Straub. Denn bei der Frage, ob der Wehrgedanke in Deutschland ein Stück weit verloren gegangen ist, hat er eine eindeutige Antwort. Die Hainbergkaserne Mellrichstadt. 44 Jahre lang war sie die Heimat für das Panzergrenadierbataillon 352 und all seine Mitglieder. Das Dokumentationszentrum am Eingang des Gebäudes erinnert an das damalige Treiben, zeigt aber auch, wie man sich damals geschützt hätte und welche Rolle dieses Wissen auch heute noch spielt. Denn auch wenn sich vieles verändert hat, ist doch auch einiges gleich geblieben. So ist die Atomwaffe auch heute noch Mittel zur Abschreckung und Machtdemonstration. Außerdem ist der Krieg näher als man denkt. Umso wichtiger könnte es werden, für den Ernstfall gewappnet zu sein. Denn wer Frieden will, bereite den Krieg vor. Si vis pacem para bellum. So hieß es schon vor tausenden von Jahren während der Zeit der Römer. Und wer weis, vielleicht steckt mehr Wahrheit dahinter, als man denkt.