Jahrzehntelang brachte Lepra in Pakistan vielen Menschen großes Leid. Dank der Arbeit der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe mit Sitz in Würzburg ist die Krankheit dort mittlerweile so gut wie verschwunden. In anderen Ländern, wie zum Beispiel Indien, sieht die Situation aber noch ganz anders aus. Ein Film von US-Regisseur James Higginson soll nun mehr Aufmerksamkeit auf die Situation vor Ort lenken.
Eine staubige Straße irgendwo in Indien. Vor einem schlichten Ziegelsteingebäude sitzt ein Mann auf zwei großen Steinen und kocht Tee. Eine Frau hängt ihre Wäsche auf, während sich ein Affe durch die Bäume hangelt. Ein weiterer Mann blickt aus dem Fenster. So normal diese Szenen wirken, so besonders sind sie. Denn alle leben in einem indischen Ashram, einem Zufluchtsort für Menschen, die von Lepra betroffen waren. In diesen Lebensraum zwischen Schmerz und Hoffnung taucht der US-Regisseur James Higginson mit seinem Dokumentarfilm Shuddhi ein – wir haben ihn in der Zentrale der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe in Würzburg getroffen.
„Mein erster Besuch im Ashram liegt über ein Jahrzehnt zurück. Ich war damals als Fotograf dort und wurde den Menschen, die dort lebten, vorgestellt. Schon damals sagte ich, dass ich zurückkommen und etwas mehr für sie tun möchte. Ihre Geschichten haben mein Herz berührt. Und wenn eine Geschichte mein Herz berührt, möchte ich ein Projekt oder einen Film daraus machen, der dann auch die Herzen des Publikums berührt. Jedes Jahr wird bei weltweit über 200.000 Menschen Lepra diagnostiziert und mehr als die Hälfte davon leben in Indien. Als ich diese Statistik gesehen habe und dann recherchiert habe, was in Bezug auf Filme über Lepra bereits gemacht wurde, dachte ich, vielleicht gibt es etwas, das ich auf eine eher künstlerische, poetische Weise beitragen kann.“, so Higginson.
„Shuddhi“ ist keine klassische Doku. Higginson lässt einen verstorbenen Großvater aus dem Off mit seinem Enkel sprechen – dieser „Baba“ erzählt von seiner Zeit in einer Art Ashram, also einer klosterähnlichen Anlage, für Lepra-Kranke. Zwischen diesen Passagen kommen Lepra-Betroffene zu Wort, die ebenfalls isoliert in einem Ashram leben. Sie erzählen ihre Lebensgeschichte, Geschichten von Einsamkeit und dem Gefühl des Ausgestoßenseins. Und mit allem verwoben erzählt die Dokumentation die Metapher einer rituellen Waschung, der Shuddi Zeremonie des Reinigens.
„Nun, Wasser. Wasser ist eines der vier Elemente. Und ich versuche in meiner Filmarbeit etwas Metaphorisches zu finden, das auf universelle Weise Bedeutung hat. In Indien ist Wasser sehr wichtig. Ich bin dort von den Schneefeldern den Ganges hinunter fereist, habe Ganges-Wasser gesammelt und es nach Jodhpur, wo ich den Film für die Shuddhi-Zeremonie am Ende gedreht habe gebarcht. Wasser ist sowohl für die Menschen dort als auch für uns hier von großer Bedeutung – für alle auf der Erde. Wasser wird in den nächsten 10 bis 15 Jahren die Ressource sein, auf die wir unseren Fokus richten werden.“, erzählt uns der Regisseur.
Higginson gibt den Betroffenen eine Stimme. Denn neben den teils schweren körperlichen Folgen, ist es vor allem die soziale Stigmatisierung, die den Betroffenen zu schaffen macht.
„Baba, der Erzähler, spricht mit seinem Enkel am Ufer des Ganges und sagt: „Schau mal, schau dort drüben. Siehst du die Hunde? Die Hunde rennen in diese Richtung. Siehst du, wie einer hinkt? Und ein bisschen langsamer ist? Innerlich sind wir alle gleich, aber äußerlich, wegen dem, was in seinem Leben passiert ist, ist er ein wenig anders. Aber wir sind alle Tropfen im Fluss, die zusammen ins Jenseits fließen. Weißt du, ohne all die einzelnen Tropfen wäre ein Fluss kein Fluss. Wir sind also alle sehr wichtig füreinander.“ Diese Art von Metapher ist für mich wesentlich, um eine universelle Verbindung zwischen dem Publikum, dem Film und den Charakteren in ihren Geschichten zu schaffen.“, erzählt er uns.
Im Ashram finden Betroffene, die anderswo nicht willkommen sind, einen Ort der Gemeinschaft. Dabei wäre eine Absonderung von der Gesellschaft heute überhaupt nicht mehr nötig. Doch die öffentliche Aufmerksamkeit für medizinische Angebote ist gering.S
„Nun, was ich mir wirklich wünsche, ist, dass die Menschen die emotionalen Auswirkungen dessen spüren können, was diesen Menschen widerfahren ist, denn es muss nicht mehr passieren. Seit 1982 ist Lepra heilbar und alle betroffenen Menschen im Lepra-Ashram haben das Programm durchlaufen und sind geheilt. Es gibt auch ein Programm namens LPEP, ein prophylaktisches Programm für die Familienangehörigen der Betroffenen. Lepra ist keine Krankheit mehr, die ernsthafte Folgen hat. Jeder, der an Lepra erkrankt, kann wieder nahtlos in die Gesellschaft integriert werden. Und das ist einer meiner Wünsche und Hoffnungen, die Herzen derjenigen zu berühren, die den Film sehen.“, erzählt uns James Higginson.
Die Deutschlandpremiere findet am Donnerstag, den 21. November um 20:00 Uhr im Central-Kino Würzburg statt. Im Anschluss wird James Higginson von seinen Dreharbeiten berichten. Außerdem beleuchtet Anil Fastenau, Experte der DAHW, die aktuelle Situation der Lepra-Bekämpfung. Auch in Zukunft soll der Film in der Bildungs- und Aufklärungsarbeit genutzt werden – und Augen und Herzen öffnen.