Über ein Jahr ist es nun schon her, dass Cannabis in Deutschland teillegalisiert wurde. Das bedeutet, dass es im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen gestrichen wurde. Seit April letzten Jahres dürfen Erwachsene also bis zu fünfundzwanzig Gramm Cannabis mit sich führen – zuhause sind sogar bis zu fünfzig Gramm oder bis zu drei Pflanzen pro Person erlaubt. Für viele ist der Anbau daheim aber keine Option – alternative Anlaufstellen sind daher die sogenannten Cannabis Social Clubs, nicht kommerzielle Anbauvereinigungen mit maximal fünfhundert Mitgliedern. Doch trotz erhaltener Lizenzen dürfen die Clubs im Freistaat Bayern nicht mit ihrer Arbeit beginnen.
Cannabispflanzen, die in den prächtigsten Farben blühen – das wünschen sich viele Social Clubs in Bayern. Deutschlandweit dürfen bereits insgesamt knapp dreihundert Clubs anbauen – im Freistaat sind es genau: null. Und das macht auch Willi Kappes und Emanuel Burghard sauer – beide sind jeweils Vorstände solcher Anbauvereinigungen. Zudem sind beide Mitbegründer eines Dachverbandes, in dem fast alle aktiven Social Clubs in Bayern organisiert sind. Der Verband vermutet absichtliche Verzögerungstaktiken von Seiten des Freistaats:
„Wir haben zum Beispiel alleine auf unsere Lizenz neuneinhalb Monate gewartet. Wir haben sie letztes Jahr im Juli gestellt und vor Kurzem erst bekommen. Hier war das größte Problem – das ist ja ein langer Zeitraum wo wir warten mussten – jetzt haben wir die Lizenz bekommen. Jetzt kommt die nächste Behörde, die Probleme macht, das ist die Baubehörde. Die möchte den Social Clubs quasi keinen Standort geben, um anfangen zu können. Und das ist jetzt quasi die nächste Hürde“, so Willi Kappes vom Bayerischen Dachverband für Social Clubs.
Der Dachverband hat nun schon mehrere Klagen gegen das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit eingereicht und eine Klage gegen besagte Baubehörde. Das Problem einfach formuliert:
„Dass man zuletzt gesagt hat: Hey, es gibt die Möglichkeit ihr dürft anbauen. Ihr müsst uns Bescheid geben. Aber dann kommt der Punkt: Ihr dürft nicht anbauen, ihr habt die Nutzung nicht eingetragen. Jetzt haben aber besagte Clubs sogar vorher bei den Baubehörden angerufen, sich vom Bürgermeister das Go geben lassen. Keine Probleme gehabt, Bauanträge zu stellen. Und dann kommt die Behörde um die Ecke und sagt: Ihr dürft nicht, ihr braucht jetzt eine Nutzungsänderung. Und die kriegt ihr nur über einen Bauantrag und den kriegt ihr nur wenn ihr in ein Sondergebiet geht. Und das kriegt ihr nur, wenn ihr hunderttausend Euro der Gemeinde zahlt“, erklärt Emanuel Burghard, ebenfalls vom Bayerischen Dachverband für Social Clubs.
So oder so ähnlich könnte es dann in einer Anbauhalle aussehen. Doch bis ein Social Club erst einmal so weit ist, muss eine ganze Menge Geld fließen. Mittlerweile hänge liege Kappes schon im sechsstelligen Bereich. Doch dies hänge natürlich vom jeweiligen Social Club ab. Ein großer Nachteil sei es, Miete für eine Halle zahlen zu müssen, in der man noch gar nicht loslegen kann. Zudem springen viele Mitglieder, die Beiträge zahlen, mit der Zeit wieder ab. Denn es geht ja nicht wirklich voran.
„Was Equipment angeht: Das kommt ganz darauf an, ob man mit kleinen Systemen anfängt oder mit großen. Viele fangen z.B. mit Zelten an, die kosten jetzt nicht so viel. Da kommt man vielleicht mit dreißig- bis fünzigtausend Tausend Euro davon mit vollem Equipment-System. Je nachdem wie viele Mitglieder man auch angegeben hat und wie viel Ernte man natürlich rausholen möchte. Bei großen Systemen sieht es schon ganz anders aus – die kosten dreihundertfünzigtausend bis eine halbe Million und noch mehr“, so Kappes.
Gewaltige Summen also. Ein Wunsch an die bayerische Regierung:
„Wir wünschen uns, dass sie auch dem Gesetz nachgehen. Zum Beispiel auch bei der Lizenzantragsstellung: Die haben eigentlich nur drei Monate Zeit und ziehen das wie gesagt auf neun oder zehn Monate oder bei anderen noch länger in die Länge. Und wir würden uns hier wünschen, dass sie hier auch das Projekt begleiten. Weil bisher hat die Drogenpolitik versagt und wir Social Clubs sind eben dafür da, um es hier besser zu machen. Wir wollen den Jugendschutz stärken und den Schwarzmarkt bekämpfen.“
Den restriktiven Kurs will man in Bayern aber wohl beibehalten. Gesundheitsministerin Gerlach am 19. Mai zu der Thematik:
„Die Legalisierung von Cannabis zu Konsumzwecken war vor allem mit Blick auf den Gesundheits- und Jugendschutz falsch. Bayerns Gesundheitsministerium setzt darauf, dass dieser Fehler im Rahmen der für den Herbst vereinbarten Evaluierung dieses Gesetzes korrigiert wird und die neue Bundesregierung die aktuellen Cannabis-Regelungen zurücknimmt.“
Auch an die Bundesregierung hat der Dachverband einen Appell:
„Der Bund hat die Möglichkeiten, z.B. beim BEML für die Laborsachen einen Standard zu schaffen, der für alle Bundesländer gilt. Bei der Bauordnung genauso: Man könnte sagen Social Clubs gehören in Mischgebiete, dann gehören wir da hin. Dann können sie nicht mehr sagen: „weiß ich nicht“, sondern ich muss die Leute wirklich da hin packen, wo sie hingehören mit einem Antrag“, so Burghard.
Die Angelegenheit bleibt weiter spannend, gerade weil die Zeit eine wichtige Rolle spielt. Mit Blick auf die Evaluierung des Cannabisgesetzes im Herbst lässt sich dann ja möglicherweise ein gemeinsamer Konsens finden.