Nicht einfach ein neues Gebäude – sondern ein ganz neues Lebensgefühl: Mit dem Johanna-Heymann-Haus am Marktbreiter Ohrenberg eröffnet die AWO eine Pflegeeinrichtung, die sich deutlich vom alten Haus der Senioren unterscheidet. Mehr Gemeinschaft, mehr Mitbestimmung und vor allem mehr Zuhause. Der Unterschied zwischen dem selbstständigen Leben und dem Alltag im Seniorenheim soll hier so gering wie möglich sein. Und dafür wurde an vieles gedacht.
AWO – das steht eigentlich für Arbeiterwohlfahrt. Doch Einrichtungsleiter Ludger Schuhmann nennt sein neues Haus augenzwinkernd lieber „Allgemeine Wohlfühl-Oase“ – und das ist durchaus ernst gemeint. Denn am Marktbreiter Ohrenberg ist in den letzten Jahren ein modernes Zuhause für 100 Seniorinnen und Senioren entstanden, das nun feierlich eröffnet wurde. Doch nicht nur das Wohnheim ist neu – auch das zukünftige Pflegekonzept:
„Der große Unterschied ist, dass man individuell auf die Leute eingehen kann, dass man gruppenbezogen Veranstaltungen machen kann, dass man Beschäftigungen durchziehen kann, dass man Interessen der Betroffenen im Endeffekt ja berücksichtigen kann. Dass wir mit unseren Betreuungskräften auch individuell auf die einzelnen Personen eingehen können. Wir können aber trotzdem zur gleichen Zeit Gemeinschaftsveranstaltungen machen. Dafür haben wir unser Café Ohrenberg. Wir werden das im Endeffekt ja als Quartierscafé, wie man in der Neusprache so schön sagt, also auch in dem Gebiet hier. Wir werden hier viele Veranstaltungen mit Vereinen machen, wenn wir nicht Lesungen machen. Wir werden sagen, ich habe mit dem Florian Meierott gesprochen, wenn auch kulturelle Angelegenheiten machen, also ja, es ist das eine und das andere hat keine große langen Wege und trotzdem sehr viel Abwechslung.“, so Schuhmann.
Aufgeteilt ist das Wohnheim in fünf Wohngruppen – grün, blau, orange, gelb und rot. Sie tragen außerdem die Namen von bekannten Ortsmarken in Marktbreit: Marktplatz, Schloss, Malerwinkel, Kranen und Maintor – sie sorgen für Orientierung. Jede Bewohnerin und jeder Bewohner hat hier ein eigenes Appartement mit Schlaf- und Wohnbereich sowie eigenem Bad. Und damit es sich wirklich nach Zuhause anfühlt, gibt es an jeder Tür eine Klingel und für alle eigene Briefkästen. Noch sehen die Zimmer alle recht gleich aus – die persönliche Note zieht aber schon bald mit den neuen Seniorinnen und Senioren ein. Und das wird ein echter Kraftakt, denn innerhalb von nur einem Tag soll alles Hab und Gut von der Innenstadt auf den Ohrenberg ziehen:
„Also ich sage jetzt mal schlimmer kann es nicht mehr werden. Wir haben etliche Baustellen da. Die Bahn baut bei uns. Die Autobahn baut bei uns. Also der Ort ist ziemlich frequentiert von PKW. Jetzt kommt halt die AWO noch hinzu. Schauen wir mal, wie das wird. Aber ich bin sicher, das kriegen wir auch noch. Es ist ja zeitlich, also ja relativ kurz. Und den einen Tag, den kriegen wir schon hin. Und ich bin voller Vertrauen, dass der Herr Schuhmann und sein Team das wirklich gewuppt kriegen und dass das dann auch wieder funktioniert.“, scherzt Bürgermeister Harald Kopp.
Die Polizei ist jedenfalls schon einmal vorgewarnt.
Statt von einer zentralen Großküche werden die Bewohnerinnen und Bewohnern dann von Gemeinschaftsküchen auf jeder Wohngruppe empfangen. Dort können die Seniorinnen und Senioren zusammen mit den Mitarbeitenden kochen – was sie wollen, denn beim Speiseplan gilt das Prinzip der Mitbestimmung und wann sie wollen.
„Wir sind auch an keine Zeiten gebunden, wo man sagt in der Großküche, das Geschirr muss zu einer gewissen Zeit unten zum Spülen sein. Zu einer gewissen Zeit muss gegessen werden. Nein, wir können im Endeffekt jetzt frühstücken, von 6:00 Uhr früh bis 11:00, 12:00 Uhr mittags. Die einen fangen dann um 11:00 Uhr schon das Mittagessen an, die letzten essen um 14:00 Uhr. Dann überschneidet sich es wiederum mit dem, die Liebe geht durch den Magen, dann geht es mit dem selbstgebackenen Kuchen wieder weiter und so zieht sich das bis in den Abend hinein. Auch die Zwischenmahlzeiten können eingenommen werden, wir sind an keine zeitlichen Abläufe gebunden, weil wir ganz einfach das selbst gestalten, wie Sie und ich auch zu Hause.“, erklärt Einrichtungsleiter Ludger Schuhmann die Vorteile des neuen Konzeptes.
Auch die Demenzstation – die grüne Wohngruppe – ist offen gestaltet. Anders als im alten Haus bleiben die Türen hier nicht verschlossen. Die Seniorinnen und Senioren können sich frei bewegen – und wenn jemand doch einmal durch die Außentür spaziert, werden die Pflegekräfte automatisch informiert. Im weitläufigen Garten lässt sich Bewegungsdrang ohnehin wunderbar ausleben. Ein bis ins kleinste Detail durchdachtes Gebäude also.
Und auch für das alte Gebäude gibt es bereits einen Plan erklärt der Bürgermeister:
„Also wir haben für einen neuen Verwendungszweck gesucht und es hat sich wirklich günstig ergeben. Und zwar deswegen. Das alte Gebäude liegt in der Nähe unserer Mittelschule und unserer Grundschule und wir würden das Gebäude nutzen für die Ganztagsbetreuung. Also es wird für schulische Zwecke genutzt werden. Dafür ist es erst mal zu groß. Das heißt auch unsere neue Verwaltung, wo wir auch schon etliche Jahre nach einem Alternativgebäude suchen, wird auch darin seinen Platz finden. Insofern war es aus städtischer und AWO Seite sage ich mal so eine Win-Win-Situation.“
Benannt ist das neue Haus auf dem Ohrenberg nach Johanna Heymann – einer Sozialreformerin und Pionierin der Frauenbewegung, die als erste Geschäftsführerin der AWO in den 1920er Jahren an der Seite von Marie Juchacz den Aufbau der Organisation leitete. Vorgeschlagen hatte ihn ein langjähriges AWO-Mitglied aus Marktbreit, dessen Partnerin die Großnichte von Heymann ist. Ein Name mit Geschichte also – für ein Haus mit Zukunft. Ab dem 3. November zieht hier das Leben ein. Und mit ihm hoffentlich auch das, was die AWO verspricht: Wohlfühlen im Alter.