Di., 20.08.2024 , 17:45 Uhr

Erinnern heißt verändern - Ausstellung im Kulturspeicher beleuchtet Attentat in Hanau

Am 19. Februar 2020 erschoss ein Attentäter in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven. Die Initiative 19. Februar Hanau und die Rechercheagentur Forensic Architecture spüren in der Ausstellung „Erinnern heißt verändern“ dem rassistischen Terroranschlag nach, zeigen aktuelle Erkenntnisse und stellen Zusammenhänge dar. Noch bis zum 1. September ist die Ausstellung, bei der vor allem die Fehler der Polizei im Mittelpunkt stehen, im Würzburger Kulturspeicher zu sehen.

Ausstellung stellt unbequeme Fragen

Was wussten die Behörden vor dem Attentat in Hanau über den Täter und dessen Vater? Warum war die Notrufnummer 110 nicht zu erreichen? Und welche Rolle spielten die 13 SEK-Beamten, die später in rassistischen Chats aufgefallen sind? Mit diesen und vielen weiteren Fragen beschäftigt sich die Ausstellung „Erinnern heißt verändern“ im Museum im Kulturspeicher in Würzburg. Armin Kurtov, Vater des getöteten Hamza Kurtov und Emiş Gürbüz, Mutter des getöteten Sedat Gürbüz führten am vergangenen Samstag durch die Ausstellung.

Jeder Mensch, der bei klarem Verstand ist, sollte sich das mal angucken. Und ich glaube, dass es auch gut wäre, wenn die Behörden sich das mal angucken und daraus Lehren ziehen, Konsequenzen ziehen, so Armin Kurtović. 

Wissenschaftliche Gegenerzählung erarbeitet

Über zwei große Räume verteilen sich Zeitleisten, die das geschehen teilweise minutiös aufdröseln sowie Infografiken und Videos, die sich mit dem Anschlag und seinen Folgen beschäftigen. Konzipiert und recherchiert hat die Ausstellung die investigative Forscher- und Künstlergruppe Forensic Architecture. Zusammen mit ihrer Schwester-Organisation Forensis mit Sitz in Berlin und der Initiative „19. Februar Hanau“ beleuchten die britischen Aktivisten den rassistischen Anschlag von allen Seiten. So entstand eine wissenschaftlich fundierte Gegenerzählung zu den von staatlicher Seite vertretenen Darstellungen der Vorfälle.

Wir haben auch erst die Ausstellung angeguckt, angeschaut und da haben wir alles erfahren, was in dieser Nacht vor der Tat, bei der Tat, nach der Tat, Versäumnisse, Fehler – was da alles abgelaufen ist. Das wussten wir auch nicht. Wir haben vieles von dieser Ausstellung gesehen, gelernt und ich empfehle jedem, wo eine Ausstellung ist, in seiner Stadt, hinzugehen. Gucken, anschauen, anhören, was in dieser Nacht, was in dieser schwarzen Nacht passiert war. Ich sage immer, der 19. Februar 2020 das ist eine schwarze Nacht für die Familie, aber das ein schwarzer Fleck, Deutschlands schwarzer Fleck, der niemals weggeht, so Emiş Gürbüz.

Hinterbliebene warten bis heute auf Konsequenzen

Der Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags beendete Ende 2023 seine Arbeit und bescheinigte den Sicherheitsbehörden Fehler. Doch die Hinterbliebenen beklagen bis heute fehlende Konsequenzen. Für die Aufklärung zahlen sie einen großen Preis: Armin Kurtov hatte allein im vergangenen Jahr drei Schlaganfälle, Emiş Gürbüz und ihr Mann mussten seit dem Anschlag zwei Mal operiert werden. Auch das Vertrauen in den deutschen Staat haben sie verloren. Als Gastarbeiter kam ihr Vater nach Deutschland, als Dank für seine Arbeit ermordetet ein Rassist seinen Enkelsohn, so Emiş Gürbüz.

Ich bin in Deutschland geboren, ich bin deutscher Staatsbürger. Ich bin in Schweinfurt geboren. Ich bin einer von euch sozusagen. Nach dem Anschlag haben sie mir den Ausländerbeirat geschickt. Einen Migrationsbeauftragten und einen Dolmetscher. Ist mein Deutsch so schlecht? Verstehen Sie mich? Ich habe den hessischen Justizminister gefragt, den ehemaligen, wenn mein Sohn morgen eine Heidi heiratet. Und Gott bewahre, es passiert wieder so etwas. Kommt dann noch mal der Ausländerbeirat? Da hat er mir geantwortet Solange Sie diesen Nachnamen tragen, wird er immer kommen. Also einmal Kanake, immer Kanake, so Armin Kurtović.

Noch bis zum 1. September in Würzburg

Mit der Ausstellung will das Museum im Kulturspeicher vom Haus für Kunst zum Denk- und Lernort werden, der sich gegen rassistische und rechtsextreme Kräfte richtet. Am Freitag, den 30. August, hält Oana-Viktoria Heckl um 18.30 Uhr dazu den kostenfreien Vortrag „Halle, Hanau, Bratislava“. Am Sonntag, 1. September, besteht dann zum letzten Mal die Möglichkeit, die Ausstellung in Würzburg zu besuchen – da es der erste Sonntag im Monat ist, ist auch hier der Einritt frei.

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