Erst am Dienstag hatten rund 4.500 Beschäftigte von ZF in Schweinfurt für den Erhalt der sogenannten Division E, dem Herzstück der Antriebs- und Elekrotmobilitätssparte, protestiert. Die Hoffnung: ein deutliches Signal für den Erhalt und die damit verbunden Sicherung des Standorts kurz vor der entscheidenden Aufsichtsratssitzung in Friedrichshafen. Eine Entscheidung für die Zukunft der Sparte gab es dort schlussendlich nicht – dafür aber ein Entgegenkommen von Seiten der Unternehmensspitze.
Das große Beben bleibt – zumindest vorerst – aus. Doch die Zukunft von ZF in Schweinfurt ist weiterhin unsicher. Nach dem deutschlandweiten Protesttag mit über 4.500 Beschäftigten alleine in Schweinfurt hat der Konzern zugesagt, vorerst keine Stellen am Standort abzubauen. Stattdessen sollen in einem gemeinsamen „Bündnis für Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungssicherung“ bis Ende September Lösungen für die angeschlagene Antriebssparte – die sogenannte Division E – erarbeitet werden. Für die rund 6.000 Mitarbeitenden, die in Schweinfurt in der Division E beschäftigt sind, ist das ein wichtiges Signal – aber längst kein Durchbruch. Denn der Bereich gilt konzernintern weiterhin als nicht wettbewerbsfähig. Am Dienstag schildert uns der Betriebsrat seine Bedenken zu den daraus resultierenden Plänen des Managements:
„Wir befürchten einen massiven Switch von selber produzieren zum Zukaufen und eine weitere Lokalisierung in Richtung Osteuropa mit der fadenscheinigen Begründungen zu hohe Lohnkosten. Auch das haben wir hier gesagt, dass teilweise die Lohnkosten unter 5 % sind. Also das Material, das hat 35 / 40 %. Aber die Lohnkosten sind Schuld. Und ganz einfach gesagt: wir fordern eine Zukunft für den Standort Schweinfurt.“, so Frank Veth, Stellvertretender Betriebsratsvorsitzender ZF Schweinfurt.
Eine Ausgliederung oder ein Verkauf stehen offiziell nicht mehr zur Diskussion, zumindest solange die Gespräche laufen – vollends ausgeschlossen sind beide Szenarien damit aber nicht. Die Gewerkschaft IG Metall und der Betriebsrat sprechen deshalb von einer „nur vorläufig ausgesetzten Auseinandersetzung“. Es gehe jetzt darum, echte Perspektiven für die Standorte und Beschäftigten zu schaffen. Gleichzeitig hat der Konzern heute seine Halbjahreszahlen vorgelegt – und die machen deutlich, wie groß der wirtschaftliche Druck ist. Der Umsatz brach auf 19,7 Milliarden Euro ein – ein Rückgang von über zehn Prozent. Der Gewinn hingegen stieg leicht. Vorstandschef Holger Klein spricht von ersten Erfolgen der laufenden Optimierungsinitiative:
„Wir sind uns im Klaren, dass wir dabei den Menschen bei ZF viel abverlangen. Wir handeln mit großer Verantwortung und so sozialverträglich wie möglich. Klar ist aber auch, dass sich unsere Industrie in einer historisch schwierigen Lage befindet, die unseren Turnaround erschwert. Dennoch greifen unsere Maßnahmen zur Verbesserung der Performance und Neuaufstellung unseres Unternehmens. Wir haben höhere Ergebnisbeiträge erzielt – trotz sinkender Umsätze. Die global stagnierende Fahrzeugproduktion, der schleppende Hochlauf der Elektromobilität und Unsicherheit durch die US-Zollpolitik bedeuten geringere Umsätze und steigende Kosten. Dem begegnen wir und beschleunigen unser Restrukturierungsprogramm. Damit ist ZF auf einem zwar schwierigen, aber erkennbar richtigen Weg.“
ZF befindet sich mitten im größten Umbau seiner Geschichte. Die Personalkapazität wurde allein seit Anfang 2024 weltweit um über 11.000 Vollzeitstellen reduziert – 5.700 davon in Deutschland. Weitere 4.700 Stellen sollen über Altersteilzeit oder Ruhestand wegfallen. Auch in Schweinfurt bleibt die Sorge groß. Die IG Metall geht von langfristig bis zu 4.000 bedrohten Arbeitsplätzen aus. Zwar gibt es aktuell eine Atempause – doch wie es mit der Division E weitergeht, ist völlig offen. Dazu der Betriebsrat am Dienstag:
„Da standen tausende Menschen, die das Signal gesendet haben: Wir wollen, aber wir wollen gemeinsam. Wir wollen für unseren Job kämpfen und das machen die Leute auch. Und wir haben ja in Schweinfurt so viele Beiträge gebracht die letzten Jahre. Es ist ja nicht so, dass wir einfach nur Worthülsen raushauen. Wir haben Arbeitszeitabsenkungen gemacht, um dem Unternehmen zu helfen. Wir haben verschiedene Sparprogramme durchgezogen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.“, so Frank Veth, Stellvertretender Betriebsratsvorsitzender ZF Schweinfurt.
Die kommenden acht Wochen entscheiden nun, ob ZF den Standort Schweinfurt vollumfänglich erhalten will oder ob es zu weiteren tiefgreifenden Einschnitten kommt. Für die Beschäftigten vor Ort ist klar: Der Protest am Dienstag war nicht das Ende, sondern erst der Anfang.