Das 102. Mozartfest ist im vollen Gange und zieht gerade Klassikfans aus Nah und Fern nach Würzburg. Bei über 80 unterschiedlichsten Programmpunkten bietet auch die aktuelle Saison die Gelegenheit, die Musik Mozarts aus verschiedenen Blickwinkeln zu erleben. Großer Beliebtheit erfreuen sich seit dem letzten Jahr auch experimentelle Formate wie die der Konzertreihe Freispiel.
Anziehend und unheimlich zugleich war die Stimmung beim ersten Mozartfest-Freispiel der Saison im Würzburger Residenzweinkeller. Geheimnisvolle Kräfte und Musik, denen niemand zu widerstehen vermag, das versprach das Wandelkonzert unter dem Titel „Lockungen“. Gespannt saßen die Teilnehmenden im Kerzenschein, nichtsahnend was sie an diesem Abend erwartete. Die einzige Ansage: der Wein der gereicht wurde, darf nicht getrunken werden. Hinter der verlockenden Idee stehen Stipendiatinnen und Stipendiaten des MozartLabors zusammen mit Konzertdesigner Thomas Posth.
Noch während der Wein die Konzertbesucher den ersten sinnlichen Lockungen aussetzte, hallten plötzlich die ersten Töne durch den Weinkeller. Überall an den langen Tafeln hatten sich die Mitglieder des Vokalensembles „Le chant trouvé“ unter die Besucher gemischt. Die Stimmen und Klänge des Improvisations-Chors lockten das Publikum auf ungewisses Terrain. Immer wieder setzte der Chor neue Reize und schickte das Publikum damit auf eine aufregende Reise durch die heiligen Hallen des Residenzkellers. Von einem rauschhaften Auftakt über die Vereinzelung und Suche bis hin zu einer wahnhaften Ekstase durchlebten die Besucherinnen und Besucher immer wieder neue Gefühlswelten. Wie fängt man an, wer läuft wohin und wie reagiert das Publikum? Damit alles gut über die Bühne geht, hat der Chor an einem Testpublikum geübt.
Am Ende kamen alle wieder im großen Saal zu einem Abschlusskonzert zusammen. Und endlich wurde allen klar, wofür die unterschiedlich vollen Weingläser waren. Denn durch das Reiben über den Glasrand wurde das Publikum Teil des Klangkörpers. Nach dem großen Finale durfte der gute Tropfen dann natürlich auch getrunken werden. Wenn auch Sie ein Freispiel des Mozartfestes besuchen wollen, dann haben Sie in dieser Saison noch zwei Mal die Gelegenheit. Die Freispiel-Reihe vereint das kreative Spiel mit Hörerwartungen, Konzerte in neuen Kontexten und die Interaktion an ungewöhnlichen Orten.