Di., 29.07.2025 , 18:06 Uhr

Großkampftag für die Industrie in Schweinfurt – Proteste gegen Zukunftspläne von ZF und SKF

Großkampftag für die Industrie in Schweinfurt – an gleich zwei Traditionsstandorten machten heute die Beschäftigten lautstark auf ihre Sorgen aufmerksam. Bei ZF und SKF in Schweinfurt standen aber nicht nur Arbeitsplätze im Fokus, sondern auch die Zukunft ganzer Unternehmensbereiche und damit die Perspektiven für tausende Familien in der Region.

Antriebs- und Elektromobilitätssparte steht auf dem Spiel

Am Dienstagmorgen dürfte in den Werkhallen von ZF in Schweinfurt weitgehend Ruhe geherrscht haben. Ganz im Gegenteil dazu war es tösend laut vor dem Werkstor in der Röntgenstraße, wo sich rund 4.500 Beschäftigte sich zum Protest versammelten. Mit Bannern, politischer Unterstützung und einer Live-Schalte zum ZF-Konzernsitz nach Friedrichshafen machte die Belegschaft klar, was auf dem Spiel steht – nicht weniger als die Zukunft der sogenannten Division E, des Herzstücks der Antriebs- und Elektromobilitätssparte von ZF.

„Meine Kernbefürchtung ist schon mal, das ZF an der Elektromobilität so nicht festhalten will. Und zwar aus zwei Gründen. Zum einen denkt die ZF insgesamt drüber nach, den Teil auszugliedern aus der ZF und zu verkaufen, an jemand anders oder eine Partnerschaft. Dann ist es schon mal weg von ZF. Wir wissen nicht wie es weitergeht. Aber vorher will man die Entscheidung treffen, nicht mehr selber Elektromotoren herzustellen, sondern nur noch zuzukaufen. Dann brauche ich hier diese Entwickler nicht mehr, da brauche ich die Fertigung nicht mehr. Und dann habe ich auch keine Zukunft, weil wir alle wissen, auch wenn es länger dauert, die Elektromobilität wird wichtig und ZF will es eben nicht mehr machen und das ist ein Riesenproblem für uns hier.“, so Thomas Höhn, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Schweinfurt. 

Unfassbares Signal für die Automobilzuliefererindustrie

Eines solche Entscheidung sende ein unfassbares Signal für die Automobilzuliefererindustrie, so Höhn. Die Betriebsversammlung, die Mitte Juli nach hitzigen Diskussionen unterbrochen worden war, wurde heute deshalb bewusst im öffentlichen Raum fortgesetzt – mit einer klarer Botschaft in Richtung des Aufsichtsrat in Friedrichshafen, der kurze Zeit später zur Tagung über die Zukunft des Unternehmens zusammenkam.

„Wir sind auch der festen Überzeugung, dass es möglich ist, in Deutschland zu produzieren mit hohem technologischen Know-How und sich damit wettbewerbsfähig zu machen. Und es zeigen uns ja auch andere Firmen, es geht. Es ist halt einfach eine Entscheidung des Managements. Das Management hat jetzt einen Vorschlag vorgelegt und jetzt soll der Aufsichtsrat sich bitte Gedanken darüber machen, ob es sinnvoll ist, gegen die eigene Belegschaft was durchzudrücken oder ob es nicht viel besser wäre, gemeinsam zu sagen: Okay, wir haben Probleme. Das ist bekannt, lasst uns das gemeinsam lösen, das ist unser Ziel. Und wenn wir das hinbekommen, haben wir auch einen großen Schritt getan für die ganze Industriepolitik in Deutschland. Weil es ist ja leider Gottes bei uns so, das haben wir ja oft, diese Diskussionen und der Wohlstand in Deutschland hat halt einen sehr großen Anteil an den Industriearbeitsplätze, weil vieles sind Effekte hintendran und dementsprechend brauchen wir ein Standort Deutschland, der nachhaltig zukunftsfähig ist.“, fordert Frank Veth, Stellvertretender Betriebsratsvorsitzender ZF Schweinfurt.

Entscheidung für Mittwoch erwartet

Schweinfurt ist mit rund 8.600 Mitarbeitenden der größte ZF-Standort in Bayern. Etwa 6.000 davon arbeiten in Bereichen, die direkt oder indirekt mit der Division E verbunden sind. Mit dem Protest am Dienstag – als Teil eines konzertierten bundesweiten Aktionstages der IG Metall – will die Belegschaft die Entscheidung die in Friedrichshafen fällt zu ihren Gunsten kippen. Statt Rückzug fordert man Investitionen in Forschung, Fertigung und langfristige Standortperspektiven. Die Entscheidung der Aufsichtsratssitzung dürfte dann spätestens am Mittwoch eine Richtung vorgeben.

Nur wenige hundert Meter weiter kam es zu einem zweiten Protest

Am Mittag dann der zweite Protestaufruf: Nur wenige hundert Meter weiter formierten sich bei SKF die Beschäftigten sowie zahlreiche Ehemalige die bereits in Arbeitsteilzeit oder Rente sind, zu einer symbolträchtigen Aktion vor dem Werk 2 in der Ernst-Sachs-Straße. Unter dem Motto „Zeit zum Handeln“ drückten sie ihre Handabdrücke auf großformatige Banner – als Zeichen der Verbundenheit mit dem Unternehmen und der gemeinsamen Forderung nach einer Kehrtwende beim Thema Personalabbau. Denn auch bei SKF schwelt der Unmut.

„Wir haben in den letzten zwei Jahren, haben wir zwischen 600 und 700 Stellen über Altersteilzeit abgebaut und der Abbau soll weitergehen. Hinzu kommt der Umzug von Werk zwei nach Werk drei. Da werden wir wieder Arbeitsplätze verlieren. Und letzte Woche wurde verkündet, dass auch im Angestelltenbereich Arbeitsplätze abgebaut werden und auch verlagert werden, zum Beispiel nach Indien.“, so Norbert Völkl, Gesamtbetriebsrats- und Schweinfurter Betriebsratsvorsitzender.

ZF und SKF fordern eine Sicherung des Standorts

Der Standort Schweinfurt galt lange als industrielles Rückgrat der Region – sowohl bei ZF als auch bei SKF. Doch viele fürchten einen Stellenabbau quasi „auf Raten“. Die Forderung des Betriebsrats bei SKF nach Göteborg ist daher eindeutig: Mindestens 3.000 Arbeitsplätze müssen am Standort Schweinfurt langfristig gesichert werden – derzeit sind es etwa 3.300.#

„Ich glaube, dieser Tag heute, sowohl bei ZF als auch SKF, macht deutlich so billig kriegt man uns nicht aus Schweinfurt raus. Industriearbeit braucht Zukunft. Auch bei SKF.“, so Thomas Höhn, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Schweinfurt. 

Der Aktionstag in Schweinfurt hat eindrücklich gezeigt, dass die Beschäftigten nicht bereit sind, diese Entwicklungen stillschweigend hinzunehmen. Die Maschinen mögen heute für ein paar Stunden gestanden haben – der Protest aber ist in Bewegung gekommen. Und er soll weitergehen, wenn es die Entscheidungen der Unternehmensspitzen nötig werden lassen.

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