Häusliche Gewalt ist ein Thema, das meist im Verborgenen bleibt – und dennoch erschreckend viele Menschen betrifft. In Karlstadt macht nun eine Wanderausstellung genau darauf aufmerksam. Sie klärt auf, gibt Einblicke in die Realität vieler Betroffener – und benennt auch, was sich ändern muss.
Während Sie diesen Beitrag sehen, erleben in Deutschland statistisch gesehen zwei Menschen häusliche Gewalt. Zwei Menschen – in gerade einmal vier Minuten. Die allermeisten von ihnen sind Frauen. Sie erleben Gewalt im eigenen Zuhause – dort, wo eigentlich Schutz, Vertrauen und Geborgenheit herrschen sollten. Um auf diese erschütternde Realität aufmerksam zu machen, zeigt das Frauennetzwerk Main-Spessart – kurz FeMSP – gemeinsam mit der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten und der Gesundheitsregionplus Main-Spessart die Wanderausstellung „Häusliche Gewalt LOSwerden“.
„Also auch mir war das vor Planung der Ausstellung überhaupt nicht bewusst, welch großes Ausmaß häusliche Gewalt hat und wie auch die Auswirkungen auf Betroffene. Also ich würde mir hoffen, dass die, die die Ausstellung besuchen, eben mehr Informationen haben, einen größeren Einblick, um dann eben aber auch aktiv zu sagen: ich schaue hin, ich bin jetzt sensibilisiert für dieses Thema. Wenn ich in meinem Umkreis, in meinem Umfeld was merken sollte, dann werde ich auch aktiv und schau nicht weg. Das wäre natürlich ein toller Effekt.“, wünscht sich Heike Kralik vom Frauennetzwerk Main-Spessart.
Konzipiert wurde die Ausstellung vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales. Noch bis zum 27 Juni ist sie nun in der Sparkasse auf dem Karlstädter Marktplatz zu sehen.
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag 9 -12 Uhr
sowie Montag und Freitag 14 – 17 Uhr
Für Schülerinnen oder Schüler ab der 9. Jahrgangsstufe können Führungen gebucht werden – und auch für Interessierte gibt es an festen Terminen offenen Führungen.
Offene Führungen (ohne Anmeldung):
10., 12., 17., 18. und 26. Juni – jeweils um 10 Uhr
Begleitet wird die Ausstellung außerdem von Impulsen und Angeboten zum Weiterdenken:
„Es gibt eben einen Kinofilm: „Morgen ist auch noch ein Tag“. Das ist ein ganz erfolgreicher italienischer Film, der sich eben mit dem Thema häusliche Gewalt beschäftigt. Und im Anschluss daran, gibt es dann auch noch einen Gesprächskreis. Die Frau Amon vom Verein Wildwasser in Würzburg wird einen Vortrag halten zum Thema „Welche Formen von häuslicher Gewalt gibt es? Und wie es auch so die Dynamik in Beziehungen“. Die Bücherei hat sich viel, ja Mühe gemacht, einen Büchertisch extra zum Thema noch mal zur Verfügung zu stellen. Ja, das ist auch das Rahmenprogramm.“, zählt Heike Kralik auf.
Die Ausstellung richtet sich bewusst nicht nur an Betroffene, sondern auch an die breite Öffentlichkeit – und an Fachkräfte aus Politik, Bildung und Sozialarbeit. Denn häusliche Gewalt ist keine Einzelfallerscheinung – sie betrifft alle gesellschaftlichen Schichten. Und häusliche Gewalt ist selten spontan – sie ist vielmehr ein Mittel der Machtausübung. Auch nach einer Trennung hört diese Gewalt nicht automatisch auf. Und doch bleibt das Thema oft im Verborgenen. Viele Betroffene schweigen – aus Angst, aus Scham, oder weil sie die Hilfsangebote gar nicht kennen. Die Polizei zählte allein im Jahr 2024 mindestens 266.000 Opfer häuslicher Gewalt – im Landkreis Main-Spessart waren es rund 200 Fälle. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs: Dunkelfeldstudien gehen davon aus, dass ein Viertel bis die Hälfte aller Fälle gar nicht erst ans Licht kommen. Im Rahmen der Eröffnung hat das Frauennetzwerk deshalb auch konkrete Forderungen an den Landkreis Main-Spessart übergeben.
„Wir werden die Punkte natürlich durchgehen und betrachten und überlegen, was können wir wie und wann umsetzen. Dann wird es auch, das Ganze passiert ja auch ein Stück weit auf einem Gesetz, das jetzt 2032 scharf gestellt wird, auf gut Deutsch und da muss man natürlich ein Stück weit auch den Gesetzgeber mit in die Pflicht nehmen, um diese Finanzierung auch hinzubekommen. Denn klar, es ist ein sehr, sehr wichtiges Thema und da muss man an anderen Themen gegebenenfalls sparen, um dieses Thema häusliche Gewalt wirklich in die Köpfe der Menschen zu bekommen, sie zu sensibilisieren und den Opfern auch ja die Unterstützung zu geben, dass sie sich auch trauen zu äußern.“, verspricht Christoph Vogel, Stellvertretender Landrat im Kreis Main-Spessart.
Gemeint ist das Gewalthilfegesetz mit dem es ab 2032 erstmals einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung für von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder gibt. Durch das Gesetz soll die 2018 verabschiedeten Istanbul-Konvention, laut der Deutschland rund 21.500 Frauenhausplätze bereitstellen müsste, finanziell gestemmt werden. Denn derzeit sind es nur etwa 7.700 Plätze. Gerade ländliche Räume sind von dieser klaffenden Lücke betroffen.
Gewalt ist kein privates Problem – sie ist ein gesellschaftliches Versagen. Und sie hört nicht auf, wenn wir wegschauen. Wenn auch Sie von Gewalt betroffen sind, dann können Sie sich kostenfrei, anonym und rund um die Uhr an folgende Stellen wenden: