Di, 06.02.2024 , 18:01 Uhr

Konflikt zwischen Alt und Neu - Würzburger Genossenschaft will historisches Wohnhaus abreißen

Ruhig gelegen kurz unterhalb des Wittelsbacher Platzes lebt die fünfköpfige Familie Sachs in der Frauenlandstraße Nr. 12. Seit Jahren freut sich die Familie darauf, dass ihr historisches Wohnhaus saniert werden soll und so blicken sie auch vorfreudig auf die angekündigte Mieterversammlung zur anstehenden Sanierung im Mai 2023. Doch schnell folgt für Mutter Daniela Sachs die Ernüchterung, für sie scheinen die Ausführungen der Frauenlandgenossenschaft, der das Haus gehört, sehr schwammig. Am Ende des Treffens hält sie die Kündigung in der Hand. Doch es soll nicht bei der Sanierung bleiben – im September beschließt der Vorstand zusammen mit dem Aufsichtsrat der Genossenschaft das Gebäude abzureisen. Zu ihrer Entscheidung schreibt die Frauenlandgenossenschaft.

Statement der Frauenlandgenossenschaft

Belastbare Kostenschätzungen im Sommer 2023 ergaben für eine Sanierung aufgrund des schlechten Gebäudezustands einen erheblichen Kostenaufwand von mindestens 4,7 Mio €, nur um die Wohnfläche von 955m² zu erhalten. Durch zwischenzeitlich steigende Kosten musste dann auch ein Neubau geprüft werden.

Die zwar höhere Investition für einen Neubau von ca. 7,2Mio. € enthält neben dem Rückbau des Bestandsgebäudes aber auch die Schaffung von Parkplätzen durch die Errichtung einer Tiefgarage und schafft moderne und energieeffiziente Wohnfläche von 1546m².

Der Neubau kann mit ca. 30 % geringeren Kaltmieten je m² bewirtschaftet werden, als das sanierte Objekt – und sorgt mit der Einhaltung moderner energetischer Standards gleichzeitig für eine deutlich geringere Belastung der Mieter mit den zusätzlichen Energiekosten.“

Daniela Sachs: „Wir hatten also ein Trauma.“

Die Familie Sachs wendet sich unter anderem an das bayerische Landesamt für Denkmalpflege, in der Hoffnung ihr Zuhause so vor dem Abriss schützen zu können. Bereits 2013 wurde geprüft, ob man einige Gebäude in der Nähe des Wittelsbacher Platzes als Zusammenspiel von erhaltenswerten Häusern schützen könnte. Da viele der Mietwohnhäuser aber bereits stark in ihrem Erscheinungsbild verändert worden waren, konnten die Kriterien für sämtliche vom Wittelsbacher Platz abgehenden Straßenzüge nicht erfüllt werden. 2023 leitete das Amt für Denkmalpflege auf Nachfrage eine Prüfung der Denkmaleigenschaft für das Anwesen Frauenlandstraße 12 ein.

Statement des Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege

Dabei stellte sich bedauerlicherweise heraus, dass die Wohnungsbaugesellschaft zu diesem Zeitpunkt bereits sämtliche Fassadenstuckierungen hatte entfernen lassen, wodurch ein wesentlicher Teil des historischen Bestands mit unmittelbarer Wirkung auf die Umgebung verloren gegangen war. Da infolge dieser baulichen Maßnahmen auch wesentliche Teile der Aussagekraft als historisches bauliches Zeugnis verloren gegangen war, wurde eine vertiefende Prüfung der Denkmaleigenschaft nicht mehr eingeleitet.“

Stadt führt Gespräche mit der Genossenschaft

Mitte Oktober hatte die Genossenschaft ohne Ankündigung den Stuck an Teilen des Gebäudes abgeschlagen – als Sicherheitsmaßnahme, wie es von der Frauenlandgenossenschaft heißt, da Gefahr im Verzug gewesen sei. Auf die Frage, warum der Putz nicht an allen Seiten abgeschlagen wurde, zum Beispiel nicht an der Wetterseite und über dem Eingang, heißt es auf unsere Nachfrage kurz und knapp:

Statement der Frauenlandgenossenschaft

Es wurden nur in den Bereichen mit Rissbildungen Maßnahmen durchgeführt.“

Von den Beschädigungen am Putz bekommen wir keine Bilder zu sehen. Kurz nach unserem Dreh in der Frauenlandstraße bekommen wir allerdings von den Nachbarn Bilder zugeschickt – darauf zu sehen ist einer der Balkone, die Säulen sind abgerissen. Warum dieser Schritt nötig war beantwortet uns die Frauenlandgenossenschaft auch bei erneuter Nachfrage nicht. Nach dem Entfernen des Stucks schaltet sich auch der Stadtheimatpfleger Hans Steidle ein. Er kommt zu dem Schluss, dass das Gebäude keineswegs baufällig sei. Auf die Frage nach Belegen, die zeigen, dass das Gebäude baufällig ist, bekommen wir ein PDF. Darin zu sehen sind Bilder die teilweise mit kurzen Beschreibungen versehen sind – darin geht es vor allem um die Barrierefreiheit, die nicht gegeben ist. Für Steidle ist das längst kein Grund für einen Abriss. Auch die Nachbarn sind schockiert über die Baupläne, die ihnen im Zuge des Bauantrags ausgehändigt wurden. Sie wollen das historische Haus erhalten. Und auch die Stadt rechnet dem Haus in der Frauenlandstraße 12 städtebaulich und gestalterisch einen hohen Wert zu.

Statement Stadt Würzburg

Daher befindet sich das Baureferat zusammen mit dem Stadtheimatpfleger in Gesprächen mit der Bauherrschaft, um die Hintergründe der Entscheidungsfindung nachvollziehen zu können und ggf. darauf positiv einwirken zu können. Ein Abbruch und Neubau kann wiederum für eine bessere Ausschöpfung von Wohnbaupotentialen mehr dringend benötigten Wohnraum schaffen und bei Vorliegen mehrerer wesentlicher Vergleichskriterien zwischen den Alternativen „Abbruch und Neubau“ oder „Sanierung“ sinnvoll sein.“

Bewohner hegen nur noch wenig Hoffnung

Das Landesamt für Denkmalpflege und auch der Stadtheimatpfleger Hans Steidle weisen aber auf einen weiteren wichtigen Aspekt für die Erhaltung des Gebäudes hin.

Statement Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

Auch vor dem Hintergrund der Folgen des Klimawandels und der erforderlichen Maßnahmen der CO2-Einsparung ist die Erhaltung von Altbauten als Speicher „grauer Energie“ in weitaus höherem Maße als bislang erforderlich.“

Große Hoffnungen für den Erhalt hegt Daniela Sachs nicht, ihr geht es nun vor allem darum, das Geschehene juristisch aufzuarbeiten. Von den sieben betroffenen Mietparteien haben bisher fünf von den unterbreiteten Wohnungsangeboten der Frauenlandgenossenschaft Gebrauch gemacht. Familie Sachs hat so viel Vertrauen in die Genossenschaft verloren, dass sie sich selbst etwas gesucht hat.

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