Di., 08.04.2025 , 18:03 Uhr

Missbrauchsgutachten für das Bistum Würzburg – Opfer waren häufig etwa 10 Jahre alt

Jahrzehntelang wurde geschwiegen, vertuscht, verdrängt. Doch in den letzten Jahren rückt das sensible Thema zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit: sexualisierte Gewalt in der Kirche. Auch im Bistum Würzburg hat sich eine Unabhängige Kommission mit der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs beschäftigt. Sie hat den Zeitraum von 1945 bis 2019 in den Blick genommen und auch Empfehlungen erarbeitet, um künftigen Missbrauch zu verhindern.

Fälle blieben Jahrzehnte im Schatten

Sexuelle Gewalt innerhalb der katholischen Kirche ist ein Thema, das seit Jahren immer wieder für Schlagzeilen sorgt und das Vertrauen in die Kirche nachhaltig erschüttert hat. Der Umgang mit diesen Vergehen war häufig von Schweigen, Vertuschung und einer systematischen Abwehrhaltung gegenüber den Opfern geprägt. Die Vielzahl der Fälle ist dadurch heute verjährt.

„Umso wichtiger ist es, dass nun diese Fälle wirklich namhaft gemacht geworden sind, in der Öffentlichkeit stehen, von der Öffentlichkeit nachgelesen werden können im Gutachten und das diese einzelnen Fälle aus ihrem Schattendasein herauskommen und jeder, wirklich jeder in der Gesellschaft wahrnimmt, das ist passiert und das darf in Zukunft nicht mehr passieren.“, so Prof. Dr. Anja Amend-Traut.

Im Bistum Würzburg wurde nun ein Gutachten veröffentlicht, das einen bedeutenden Schritt in der Aufarbeitung dieser sexuellen Gewalt darstellt.

Dunkle Kapitel von 1945 bis 2019

Das Gutachten beleuchtet die dunklen Kapitel der Jahre 1945 bis 2019 und die insgesamt 449 aufgedeckten Taten. Schätzungen zufolge könnten die tatsächlichen Zahlen jedoch wesentlich höher liegen – es ist von mehr als 3.000 die Rede. Fast alle der 51 Beschuldigten sind männlich und zum Großteil Kleriker. Ihnen gegenüber stehen 226 bekannte Betroffene, die im Durchschnitt bei der ersten Tat etwa 10 Jahre alt waren und durchschnittlich eineinhalb Jahre lang missbraucht wurden. Doch all diese Gräueltaten blieb lange im Schatten – jeder dritte Fall sollte laut Gutachten vertuscht werden.

„Also es gab jetzt kein System der Vertuschung, das sich jemand überlegt hat und das dann flächendeckend über die Fälle drübergezogen wurde. Aber es gab in Einzelfällen doch schon das Ausnutzen von Möglichkeiten, die Ermittlungsbehörde im Schach zu halten. Keine Informationen an die Ermittlungsbehörde dringen zu lassen, die Gemeindemitglieder zu beschwichtigen, die da einen Vorwurf geäußert haben. Und es kam auch leider vielfach Rückendeckung für die Täter von den Gemeindemitgliedern.“, so so Prof. Dr. Hendrik Schneider, Rechtsanwalt und beauftragter Gutachter.

Besonders alarmierend sind Hinweise auf unvollständige Akten und mutmaßliche Manipulationen von Dokumenten. Darüber hinaus wurde in zahlreichen Fällen Druck auf die Opfer ausgeübt, um sie zum Schweigen zu bringen.

Paradigmenwechsel kam mit Bischof Franz Jung

Trotz dieser erschreckenden Befunde gibt das Gutachten aber auch Anlass zur Hoffnung, denn es wurde auch ein Paradigmenwechsel festgestellt. Seit 2012 hat das Bistum Würzburg zunehmend Maßnahmen ergriffen, um gegen sexuellen Missbrauch vorzugehen. Dazu gehört das Schutzkonzept, das präventive Maßnahmen sowie regelmäßige Schulungen für kirchliche Mitarbeiter umfasst.

„Davon ausgenommen sind derzeit weitgehend die ehrenamtlich Tätigen und ich denke, dass gerade hier, das hat auch das Gutachten gezeigt, ist in den letzten Jahren zu einer Verlagerung gekommen ist, der Straftaten. Die ausgemachten Täter kommen zunehmend mehr aus diesem Bereich und deswegen ist es unseres Erachtens nicht zu vernachlässigen, dass auch die Ehrenamtlichen von diesen Präventivmaßnahmen mit erfasst werden, dass sie also etwa Schulungen mitmachen, die die Diözese für ihre Mitarbeiter anbietet.“, so Prof. Dr. Anja Amend-Traut, Vorsitzende der Aufarbeitungskommission.

Auch in Zukunft will die Kommission die Diözese mit ihren Empfehlungen unterstützen. Denn auch wenn dass Bistum Würzburg wichtige Schritte unternommen hat, ist die Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen. Abschließend stellt die Kommission aber auch fest, dass sexueller Missbrauch nicht nur ein Problem der Kirche ist. Es erfordere die Auseinandersetzung mit allen Institutionen, in deren Obhut Kinder und Jugendliche waren und sind. Damit allen Opfern endlich die Gerechtigkeit zukommt, die ihnen über so viele Jahre hinweg verweigert wurde.

Die Aufzeichnung der kompletten öffentlichen Pressekonferenz der UKAM am 8. April 2025 im Mozartareal in Würzburg finden Sie hier.

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