Vergangene Woche hat die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Würzburg ihr mit Spannung erwartetes Gutachten vorgestellt – ein Bericht, der Missstände benennt und klare Empfehlungen für Veränderungen formuliert. Nun hat Bischof Dr. Franz Jung in einer Pressekonferenz erneut Stellung zu den Ergebnissen genommen und seine Sicht auf die Schlussfolgerungen der Kommission dargelegt.
Nach den Jahren des Verdrängens, Verschweigens und des Vertuschens möchte das Bistum Würzburg nun seine dunkle Vergangenheit aufarbeiten. So äußerte sich am Montag Bischof Dr. Franz Jung öffentlich zur Missbrauchsstudie, die in der vergangenen Woche vorgestellt wurde. Das Gutachten identifiziert 51 Beschuldigte – deutlich weniger als die MHG-Studie von 2018, die das Ausmaß des Missbrauchs deutschlandweit untersuchte. Gleichzeitig wird die Zahl der Betroffenen im Bistum Würzburg deutlich nach oben korrigiert: Nachgewiesen wurden 449 Taten an 226 Menschen. Aufgrund zahlreicher Mehrfachtäter kommt das Gutachten auf insgesamt 3053 Übergriffe.
„So möchte ich heute meine Bitte um Entschuldigung für die Jahre des Schweigens, der Verleugnung und der Untätigkeit erneuern, die ich schon bei der Entgegennahme des Gutachtens geäußert habe. Und ich muss erneut hinzufügen, wie sehr mir bewusst ist, dass viele dieser Bitte aus gutem Grund nicht werden nachkommen können.“, so Bischof Dr. Franz Jung.
Die Ergebnisse zeigen die Ursachen für Missbrauch vor allem in Machtgefällen, in Abhängigkeiten und in einer Autoritätshörigkeit, die es Tätern leicht machte, sich zu schützen und ihr Verhalten zu verharmlosen. Und das Gutachten zeigt auch, wie Betroffene eingeschüchtert und Täter trotz besseren Wissens geschützt wurden: durch folgenlose Versetzungen, verschleppte Verfahren und durch mangelnde Dokumentation.
„Eine verheerende Bilanz. Sie zeigt immer wieder aufs Neue, dass in den Augen der Verantwortungsträger der Schutz der Institution und die Sorge um das priesterliche Ansehen des Täters Vorrang hatten. Das Wohl der Kinder oder der Betroffenen kam, wenn überhaupt, nur sehr unzureichend in den Blick. Das ist beschämend und erschütternd zugleich.“, so der Bischof weiter.
In seiner Ansprache trägt Bischof Dr. Franz Jung auch zwei Erklärungen vor. So räumt sein Vorgänger, Bischof emeritus Dr. Friedhelm Hofmann ein:
„[…] Nach der eingehenden Lektüre des Gutachtens muss ich selbstkritisch einräumen, dass in meiner Zeit als Bischof von Würzburg Fehler gemacht wurden bei der Bearbeitung der Fälle sexuellen Missbrauchs. […] Ich bedaure das sehr und weiß heute, dass ich hier als Bischof mehr gefordert gewesen wäre und hinter meiner Verantwortung zurückgeblieben bin.“
Auch Domkapitular emeritus Dr. Heinz Geist, der in seiner Amtszeit unter anderem Personalchef und Missbrauchsbeauftragter war, räumt ein, nicht immer nach den Leitlinien vorgegangen zu sein:
„[…] Ich stelle mich der Verantwortung für diese Versäumnisse und verzichte als Konsequenz auf meine Mitgliedschaft im Domkapitel zu Würzburg, auf die Zelebration öffentlicher Gottesdienste wie auf pastorale Veröffentlichungen.“
Das Thema des sexuellen Missbrauchs sei mit dem nun vorliegenden Gutachten nicht erledigt, betont Bischof Dr. Franz Jung mit Nachdruck. Durch das Gutachten seien neue Informationen zu einem Fall bekannt geworden, so die Interventionsbeauftragte Kerstin Schüller weiter, diesen werde man nun nachgehen.
Und sie betont auch, dass das Bistum eine Nulltoleranz-Politik verfolge. So würde man nicht erst bei Straftaten, sondern bei jeder sexualisieren Grenzverletzung aktiv – auch wenn diese nicht juristisch verfolgbar sei. 54 Präventionsberaterinnen und -berater leisteten in den 43 Pastoralen Räumen außerdem bereits heute wichtige Sensibilisierungsarbeit.
„Ziel all unserer Anstrengungen ist es, im Bistum Würzburg eine Haltung zu implementieren, die hilft, in unseren Gemeinden und weiteren Kirchorten, wie beispielsweise Bildungshäusern oder Schulen sowie Verbänden und Gemeinschaften, für die Thematik des Missbrauchs zu sensibilisieren und dadurch schon jede Grenzverletzung zu verhindern. Denn „wirksame Prävention ist ein Marathon und kein Sprint“, wie Professor Dr. Marcel Romanos bei der Vorstellung des UKAM-Gutachtens so treffend sagte.“, so Generalvikar Dr. Jürgen Vorndran.
Außerdem plant das Bistum Würzburg ab Mai konkrete Schritte zur Umsetzung der Empfehlungen aus dem Gutachten: Nach einem Austausch mit Betroffenen folgt ein gemeinsamer Workshop mit der Kommission. Bis Ende des 3. Quartals sollen dann konkrete Maßnahmen erarbeitet werden – ein Jahr nach Veröffentlichung des Gutachtens soll im April 2026 dann Bilanz über den Fortschritt gezogen werden.