Weniger Diskriminierung, dafür mehr Raum zur Entfaltung – das wünscht sich eine Freundesgruppe aus Würzburg, die sich 2023 zum „Traumtanzkollektiv“ zusammengetan hat. Die mittlerweile 15-köpfige Gruppe besteht überwiegend aus jungen DJs, die elektronische Musik auf die Tanzfläche bringen. Mit der Veranstaltungsreihe „Toben gegen Hass“ im Café Cairo ist das Kollektiv nun schon bei seiner sechsten Ausgabe angekommen. Wir haben dem Ganzen am Wochenende einen Besuch abgestattet und herausgefunden, was die Organisatoren antreibt.
Bass, Stroboskoplichter, Ekstase – bei „Toben gegen Hass“ im Café Cairo machen die Gäste dem Veranstaltungsnamen alle Ehre. Während hier die aufgestaute Energie einfach „rausgetanzt“ wird, geht es ein Stockwerk darüber etwas entspannter zu: Neben lockeren Gesprächen und etwa einer gepflegten Runde Schach präsentieren junge Kunstschaffende ihre Werke. Organisiert wird „Toben gegen Hass“ vom TraumTanz Kollektiv – Can Seven ist Gründungsmitglied und hat alles von Anfang an miterlebt.
„Das Event ist eigentlich entstanden, weil wir natürlich auch gemerkt haben: Wir leben in Zeiten, wo der Rechtsrutsch immer größer wird. Und wo einfach Menschen immer mehr unter Diskrimierung leiden. Und deshalb haben wir uns gedacht: Wir wollen ein Event schaffen, was ansatzweise vielleicht eine kleine Utopie erzeugt. Deswegen auch der Name „Traumtanz“ – nämlich träumen und tanzen.“, erklärt uns Can Seven, Gründungsmitglied des TraumTanz Kollektiv.
Die Vernissage bietet Kunstschaffenden Raum, das Thema Hass aus ihrer Perspektive künstlerisch zu bearbeiten und Einblicke in ihre eigenen Erfahrungen zu geben. Außerdem dient sie als Ort des Austauschs, an dem die Gäste Infomaterial zu verschiedenen Diskriminierungsformen finden und durch die Kunst inspiriert miteinander ins Gespräch kommen können. Solch ein Raum ist besonders wertvoll, findet auch Fotografin Luna Sommer. Ihr zufolge gebe es in Würzburg zwar einige wenige Möglichkeiten, Kunst im kleineren Rahmen auszustellen, jedoch müsse man diese Nischen erst einmal kennen.
„Es passiert sehr viel von Menschen, die das in ihrer Freizeit machen. Die das auch teilweise ohne finanzielle Gegenleistung machen. Und da sehe ich vor allem auch die Stadt in der Verantwortung, Subkultur und Kultur einfach in so kleinen Kreisen mehr zu fördern, was nicht ausreichend passiert, würde ich sagen.“, so Künstlerin und Fotografin Luna Sommer aus Würzburg.
Mehr Raum zur Entfaltung wünscht sich auch Ana Pineau: Sie ist mit ihrer Bühnenfigur „Domnul Viktor“, was auf rumänisch so viel wie „Herr Viktor“ heißt, die erste Dragking-Performerin in Würzburg. Das ist eine Mischung aus Tanz und Comedy, bei dem stereotype männliche Verhaltensweisen dargestellt und häufig auch ein bisschen auf die Schippe genommen werden. Ein Spiel mit den Geschlechtern. Auf ihre Erscheinung bekommt Pineau die unterschiedlichsten Reaktionen:
„Die Spaces in Würzburg sind auch ziemliche Safe Spaces für queere Menschen. Und dann ist es sehr akzeptiert. In der Straße ist es schon etwas anderes: Ich kriege ab und zu manchmal schon komische Reaktionen. Hä, was machst du da und wieso? Und warum eine weibliche Person sich so Makeup macht – ist nicht immer einfach auf der Straße. Aber auf der Bühne sehr positive Reaktionen.“
Das TraumTanz Kollektiv möchte mit seinen Veranstaltungen insbesondere Raum für junge Menschen schaffen, die sich aufgrund von Diskriminierung andernorts möglicherweise nicht entfalten können. Gerade mit dem Wegfall von Einrichtungen wie der Posthalle gewinnt das Thema immer mehr an Bedeutung.
„Und da ist uns das Kairo einfach einen riesengroßen Schritt entgegengekommen und hat uns hier immer eingeladen. Und das war auch so ein bisschen der Appell an den OB, dass wir gesagt haben: Hey, Würzburg lebt von den jungen Leuten und deshalb brauchen diese jungen Leute auch Räume. Wenn man sich die aktuelle Politik anschaut, wie dort einfach Gelder im Bereich Kultur gekürzt werden, ist das einfach alarmierend für uns. Und dementsprechend wollen wir da was entgegensetzen.“, so Can Seven.
„Toben gegen Hass“ ist ein sogenannter Sober-Rave – also frei von Alkohol und anderen Drogen. Dabei ist der Abend auch nicht auf Gewinn ausgelegt: Beim Eintritt gibt jeder das, was er kann und die Einnahmen gehen anschließend an einen guten Zweck:
„Wir haben schon an unterschiedliche Organisationen gespendet: Viel an Organisationen, die sich mit Menschen zusammentun, die geflüchtet sind. Sie unterstützen, beraten und dafür sorgen, dass sie ein sicheres Zuhause bekommen. Dieses Jahr spenden wir an eine Organisation, die sich speziell mit queeren geflüchteten Menschen zusammensetzt und diese Menschen unterstützt.“, erzählt Can Seven.
Für das besondere Engagement hatte das TraumTanz Kollektiv in diesem Jahr den Preis für junge Kultur erhalten. Und um künftig noch wirkungsvoller arbeiten zu können, vernetzt sich die Gruppe auch mit anderen Kollektiven: Aktuell befindet man sich in der Gründung des Vereins „Subkultur Würzburg“. Mit dem Mix aus Musik, Kunst und gelebter Solidarität zeigt das TraumTanz Kollektiv, wie ein kleines Stück Utopie schon heute Realität werden kann.