Am 24. März ist Welt-Tuberkulose-Tag – ein Tag, der an eine der tödlichsten Infektionskrankheiten der Welt erinnert, auch wenn sie in Europa kaum noch vorkommt. Kaum eine andere Krankheit hat in der Literatur so viel Raum eingenommen wie die einst als „Schwindsucht“ bekannte Tuberkulose – oft verklärt und romantisiert. Die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe mit Sitz in Würzburg nutzt den Aktionstag, um einen kritischen Blick auf diese Weltliteratur zu werfen.
Was hat Theodor Fontanes „Effi Briest“ wohl mit Bewohnerinnen und Bewohnern entlegener Dörfer in Nigeria zu tun? Und könnte Thomas Manns „Zauberberg“ vielleicht auch in Uganda spielen? Diesen Fragen geht die DAHW, die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe, in diesem Jahr anlässlich des Welt-Tuberkulose-Tags auf die Spur. Denn vor allem im 19. Jahrhundert hat die damals oft verklärte Krankheit Einzug in die Weltliteratur gehalten.
„Tuberkulose wurde früher als Schwindsucht bezeichnet und wir sehen da wirklich eine ganz starke Romantisierung dieser Erkrankung. Die Symptome mehr wurden verklärt, kann man schon fast sagen. Die Menschen, die von Tuberkulose betroffen waren, wurden dargestellt als zart, empfindsam, sensibel. Diese starke Gewichtsabnahme wurde romantisiert, also zerbrechliche junge Frauen auf dem Höhepunkt ihrer Jugend und Schönheit, die dahinwelken. Dieses sehr romantische Bild hat aber mit der Realität nicht so viel gemein.“, erzählt uns Johanna Schultheiß, Referentin Presse- & Öffentlichkeitsarbeit bei der DAHW.
Nicht nur Literaten wie der selbst erkrankte Kafka, sondern auch Opernkomponisten ließen sich von dieser „Geißel der jungen Leute“ inspirieren. Dumas’ Kameliendame wurde von Verdi als La Traviata inszeniert, in der Violetta buchstäblich „verwelkt“. Auch Puccinis La Bohème spielt mit dem Bild der kranken, aber faszinierenden Mimì. Die Realität hingegen sieht anders aus: Tuberkulose zählt bis heute zu den tödlichsten Infektionskrankheiten weltweit. Jährlich sterben 1,3 Millionen Menschen, mehr als 10 Millionen erkranken neu. Schätzungen zufolge trägt jeder vierte Mensch weltweit den Erreger in sich – oft ohne auszubrechen.
„Man hat ganz lang gedacht Kunst und Genie und künstlerische Kreativität hängt irgendwie zusammen mit der Erkrankung an Tuberkulose, weil sehr viele Dichter Künstler betroffen waren von Tuberkulose, so im 19., Anfang des 20. Jahrhunderts. Aber auch, weil Tuberkulose so ein wichtiges Thema in der Kunst war. Was dahinter steckt, ist wahrscheinlich, dass einfach Menschen, die von Tuberkulose betroffen sind, oft auch von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen sind, in beengten Wohnräumen leben. Und vieles davon hat eben auf die Boheme dieser Zeit zugetroffen. Also dieses Klischeebild vom Dichter, der in der unbeheizten Mansardenwohnung seine Texte schreibt. Da ist einfach viel Risiko dabei, dass eine Tuberkulose ausbricht.“, so Schultheiß.
Auch Der Zauberberg von Thomas Mann kreist um die Krankheit: Der Roman spielt in einem Davoser Lungensanatorium, wo Tuberkulose-Patienten behandelt werden. Doch während die Literatur oft ein stilisiertes Bild zeichnet, hat die tatsächliche Situation der Patientinnen und Patienten mit der damaligen „Schwindsucht“, wie wir sie aus den Romanen kennen, nur wenig gemein.
„Im Zauberberg wird einer der Patienten geröntgt und der Hofrat, also der Mediziner vor Ort, erkennt dann Veränderungen der Lunge und schließt daraus, dass dieser Mensch an Tuberkulose erkrankt ist. Tatsächlich kann man auf Röntgenbilder der Lunge ganz gut diese Veränderungen erkennen, die auf eine Tuberkuloseinfektion hindeuten. Und die. Diese Technik wird auch heute noch angewandt, weil das Röntgenbild da wirklich ganz gute Ergebnisse liefern kann. Wir als die Tuberkulose-Hilfe sind ja vor allem dort aktiv, wo die Menschen einen sehr eingeschränkten Zugang zu Gesundheitsdiensten haben, zum Beispiel in Unterkünften für geflüchtete Menschen in Uganda. Da sind die Straßen sehr schlecht, man kommt sehr schlecht hin. Und wir haben tatsächlich mobile Röntgengeräte, die sich die Gesundheitsteams wie so Rucksäcke aufsetzen können. Damit kann man tatsächlich Motorrad fahren. Man kann sie auf den Pick up Truck mitnehmen, man kommt in diese Unterkünfte und man kann die Menschen, die Symptome haben, relativ unkompliziert röntgen, kann es direkt auswerten und kann dann sagen okay, hier gibt es einen Hinweis auf eine krankhafte Veränderung der Lunge. Hier sollten wir noch mal mit Labordiagnostik nachforschen.“, berichtet Johanna Schultheiß, Referentin Presse- & Öffentlichkeitsarbeit bei der DAHW.
Doch auch heute erschweren Vorurteile und Umstände die Behandlung. Antibiotika müssen monatelang eingenommen werden – oft eine große Herausforderung, da die Betroffenen regelmäßig weite Wege zurücklegen und trotz Nahrungsknappheit vor der Einnahme essen müssen. Zudem droht die soziale Ausgrenzung. Die DAHW setzt mit gezielten Hilfsprogrammen dagegen an. Mehr dazu – und über die faszinierenden Geschichten, die die Weltliteratur über Tuberkulose erzählt – erfahren Sie beim Leseabend am 18. März in der Buchhandlung Knodt.