Fr., 23.05.2025 , 16:35 Uhr

Zivile Kulisse, militärischer Ernst - Wie die Bundeswehr im kleinen Dorf Neuwirtshaus für den Ernstfall übt

Was passiert, wenn modernste Militärtechnik auf ländliche Idylle trifft? Die Bundeswehr hat sich für ein außergewöhnliches Trainingsszenario einen ganz besonderen Ort ausgesucht – ein 100-Einwohner-Dorf mitten in Unterfranken. Warum dieser Einsatz für die Soldatinnen und Soldaten ebenso ungewöhnlich wie wichtig war – und was das mit dem kleinen Dorf Neuwirtshaus zu tun hat – das zeigen wir jetzt.

Eine gute Tarnung ist das A und O

Versteckt zwischen Bohlen und im militärisch unauffälligen Grün verbergen sich im alten Sägewerk in Neuwirtshaus im Landkreis Bad Kissingen gepanzerte Fahrzeuge. Gut geschützt vom Schleppdach, versteckt sich hier die Panzerlehrbrigade 9 vor neugierigen Blicken – und vor allem vor feindlichen Drohnen. Denn was sich hier fast nahtlos in das Dorfbild einfügt, ist in Wahrheit der zentrale Gefechtsstand der Bundeswehr-Großübung „White Horse Arena 2025“. Zwei Wochen lang trainierten hier Soldatinnen und Soldaten unter hochintensiven Bedingungen – nicht auf einem abgeschirmten Truppenübungsplatz, sondern mitten in einem 100-Seelen-Dorf.

„Das ist extrem wichtig für uns zu üben, in zivile Ortschaften zu gehen, weil auf dem Truppenübungsplatz ist alles perfekt auf uns abgestimmt und wir wollen ganz bewusst in zivile Infrastruktur gehen, um zu sagen, das ist kriegstüchtig. Das würden wir im Realfall auch machen.“, so Brigadegeneral und Kommandeur der Panzerlehrbrigade 9 Lutz Kuhn. 

Simulation für den Ernstfall

Für die Übung hat die Bundeswehr die Lagerhallen mit modernster Technik gefüllt – darunter auch eine mobile, autarke Kommandozentrale. Von hier aus wird ein „hochintensives Gefecht“ simuliert, bei dem Division und Brigaden eng zusammenarbeiten – ein Szenario, das durch die Erfahrungen aus dem Ukrainekrieg geprägt ist. Gerade dort hat sich gezeigt, dass in der modernen Kriegsführung eine feindliche Drohne im Wert von 1000 Euro reicht, um in wenigen Sekunden einen Panzer im Wert von 25 Millionen Euro zu zerstören. Wer hier nicht vernetzt und versteckt operiert, ist verloren. Umso wichtiger, dass auch unter erschwerten Bedingungen jeder Handgriff sitzt. Drei Wochen lang waren die Soldatinnen und Soldaten nun in Neuwirtshaus zu Gast – zwei Wochen davon wurde intensiv geübt. Sitzt jetzt also alles?

„Im Prinzip nicht. Wir haben ganz viel geübt, Wir sind richtig gut geworden, aber wir haben immer noch was zu tun. Und wir müssen weiter üben. Und das machen wir auch sehr, sehr gerne. Wir arbeiten wirklich daran, noch die letzten 10 % richtig hinzubekommen.“, so Brigadegeneral Lutz Kuhn.

Und genau das war Teil des Plans. Denn es ging nicht nur darum, vorhandenes Können zu zeigen – sondern es zu verbessern.

Plötzlich doppelte Einwohnerzahl und Militärfahrzeuge auf der Dorfstraße

Für die 100 Einwohner des Ortsteils bedeutete das: doppelte Einwohnerzahl und Militärfahrzeuge auf der Dorfstraße – doch von Verunsicherung ist hier keine Spur. Immerhin ist die Bundeswehr hier im Landkreis Bad Kissingen kein Fremdkörper, sondern Teil der Gemeinschaft. Zum Abschluss der dreiwöchigen Übungsphase öffnete sich das Gelände deshalb auch noch einmal für die Bevölkerung. Die Bürgerinnen und Bürger konnten so selbst erleben, was sonst hinter Stacheldraht und Tarnnetzen verborgen bleibt – und die Soldaten wiederum sagten Danke für die Unterstützung der Gemeinde.

„Das Thema CIMIC, Zivil-Militärische Zusammenarbeit, wird ja aktuell auch immer gelebt, das hat man auch im Ahrtal gesehen und so was kann auch hier bei uns – Windwurf, Waldbrände bis hin, dass eine Wasserversorgung gestört ist, weil irgendwo ein Chemiewerk heruntergebrannt ist. Und das sind die Jungs hier und die machen hier eine sehr, sehr gute Arbeit, wo uns dann auch unterstützen können. Und ich muss einfach sagen, das kommt auch zu kurz. Dieses Thank you for your service, wie man es bei den Amerikanern kennt, das sage ich einfach mal: Herzlichen Dank für den Dienst, den die Männer und Frauen, wie die das machen. Die sind ja auch alle weit weg von daheim, weit weg von der Familie. Und das ist auch ein Aspekt gewesen, wieso jeder hier bei uns im Dorf gesagt hat: Komm, wir unterstützen das, die sollen sich hier auch wohlfühlen, dann können sie auch vernünftig arbeiten.“, erzählt uns Marcus Scholz.

Er ist selbst Reserve-Offizier und Vermittler zwischen den Dorfbewohnern – seinen Nachbarn – und der Bundeswehr. Die Übung „White Horse Arena 2025“ war also weit mehr als ein bloßes Militärmanöver. Sie war ein Beispiel dafür, wie moderne Kriegsführung, taktische Vorbereitung und die Einbindung der Zivilgesellschaft Hand in Hand gehen können – mitten im kleinen Dorf Neuwirtshaus. Ein Ort, der in den letzten drei Wochen gezeigt hat, was möglich ist, wenn man gemeinsam anpackt.

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