Vertreter klingeln an der Tür einer 73-jährigen Rentnerin und bieten ihr einen neuen Stromvertrag an. Sie willigt ein und unterschreibt mit ihrem Finger auf einem Tablet. Tage später erhält sie ihren neuen Vertrag in Papierform – mit dabei ist ihre Unterschrift. Da sie ihren Namen niemals auf Papier gesetzt hat, ist sie überzeugt, dass es sich um einen Betrugsfall handeln muss und erstattet Anzeige. Auch weitere Auffälligkeiten erwecken einen mysteriösen Eindruck.
Am vergangenen Mittwoch stand die 73-jährige Klägerin vor dem Amtsgericht und sagte als Zeugin aus. Es geschah im Jahr 2021, dass zwei Vertreter vor ihrer Wohnung auftauchten und ihr empfahlen, zu einem anderen Stromanbieter zu wechseln. Um Geld zu sparen willigte sie ein und unterschrieb digital mit ihrem Finger auf einem Tablet. Wenig später erhält sie Post mit ihrem neuen Vertrag, auf dem ihre Unterschrift steht. Da die Dame niemals ein Papier in der Hand hatte, geschweige denn unterschrieben hatte, wird sie stutzig und denkt, dass die Unterschrift gefälscht sein müsse. Ihrer Vermutung nach hatte der Vertreter, auf dessen Tablet sie unterschrieben hatte, ihre Unterschrift gefälscht. Grund genug für die Dame, Anzeige gegen den 29-jährigen Vertreter zu erstatten.
Was noch hinzu kommt: Die Rentnerin hat nach eigenen Angaben weder einen Internetanschluss in ihrer Wohnung noch ein Smartphone. Dennoch ist in dem Vertrag eine angebliche E-Mail-Adresse der 73-Jährigen hinterlegt, die komischerweise einem Wetterdienst zugeordnet werden kann – eine Einrichtung, zu der die Dame keine Verbindung hat.
Der beschludigte Vertreter erhält als Folge der Anzeige einen Strafbefehl. Der Vorwurf: „Fälschung beweiserheblicher Daten“. Ein Schock für den 29-jährigen Angeklagten, der bereits mehr als 3000 Verträgte verkauft hat, jedoch niemals zuvor auf der Anklagebank gelandet sei. Er reagiert jedoch und legt Einspruch ein – und das mit Erfolg. Das Amtsgericht Haßberge sprach den Angeklagten aus dem Landkreis Haßberge frei. Eine Unterschrift digital zu kopieren und an anderer Stelle einzufügen sei für ihn nicht möglich, versichert er dem Amtsgericht. Wie es zu der E-Mail-Adresse des Wetterdienstes kam, kann er sich jedoch auch nicht erklären. Hin und wieder lege er war E-Mail-Adressen für seine Kunden an, dann benutze er aber einen Zufallsgenerator.