Anfang Januar war es dem verurteilten Mörder Rachid C. gelungen, während einer Gerichtsverhandlung am Amtsgericht Regensburg zu fliehen. Inzwischen ist der 40-Jährige wieder in Haft. Doch nun stellt sich die Frage, wie es so weit kommen konnte.
In einer Verhandlungspause wurde Rachid C. in ein Anwaltszimmer geführt, von wo aus ihm die Flucht durch ein Fenster gelang. Es folgten vier Tage intensiver Ermittlungen, bis der Mann in Frankreich festgenommen werden konnte. Seither befindet er sich in einer französischen Haftanstalt.
Rachid C. hatte im Jahr 2011 einen Lottoladen in Nürnberg überfallen und die Besitzerin ermordet. Er wurde damals wegen Raubes mit Todesfolge zu lebenslanger Haft verurteilt. C. saß in der JVA Straubing ein, wo es zu einer Auseinandersetzung mit einem Häftling kam. Daraufhin wurde er in die JVA Würzburg verlegt, wo er seine restliche Haftstrafe absitzen sollte.
Vergangene Woche versammelten sich Vertreter der Polizeipräsidien Unterfranken und Oberpfalz, des Land- und Amtsgerichts Regensburg sowie der Staatsanwaltschaften Regensburg und Nürnberg/Fürth. Gemeinsam wurde das Geschehene rekonstruiert, um festzustellen, welche Abläufe optimiert werden müssen.
Als Rachid C. in das Anwaltszimmer geführt wurde, aus dem er kurz darauf floh, trug er keine Handfesseln. Diese waren ihm zuvor im Sitzungssaal auf gerichtliche Anordnung abgenommen worden, um dem Angeklagten ein Mitschreiben zu ermöglichen – darüber waren sich alle Parteien einig. Aber: Als Rachid C. aus dem Sitzungssaal geführt wurde, hätte die Polizei ihm Fesselungen anlegen können. Diese Maßnahme und eine lückenlose Überwachung des zur Flucht genutzten Fensters hätte „die Flucht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert“, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung.
Das Anwaltszimmer, das Rachid C. zur Besprechung mit seinem Anwalt habe nutzen sollen, sei außerdem nicht entsprechend gesichert. „Es dient den Rechtsanwälten – insbesondere auswärtigen Rechtsanwälten – als Aufenthaltsort für Sitzungspausen. Für Besprechungen mit inhaftierten Angeklagten ist der nicht überwachte Raum nicht konzipiert“, wird in der Pressemitteilung aufgeklärt.
Ein weiterer Kritikpunkt sei der Untersuchung zufolge die mangelnde Kenntnis der Vorführbeamten zu baulichen und sicherheitstechnischen Gegebenheiten. Der verurteilte Mörder war von unterfränkischen Polizeibeamten im Regensburger Amtsgericht bewacht worden. Die Zusammenarbeit zwischen ortsfremden Polizeikräften und örtlichem Sicherheitspersonal müsse demnach intensiviert werden.
Das gemeinsame Aufarbeiten der Flucht eines Strafgefangenen durch Polizei und Justiz ist enorm wichtig, um potentielle Schwachstellen an den bisherigen Abläufen zu erkennen und zu verbessern. So soll ein derartiges Fluchtgeschehen in Zukunft verhindert werden.