Würzburg – Für Samstag, den 2. August, ist in der Würzburger Innenstadt eine rechtsextreme Demonstration unter dem Titel „Europa Erwache“ angekündigt. Die Veranstaltung wird nach Einschätzung zivilgesellschaftlicher Gruppen unter anderem von der NPD-nahen „Division Franken“ und weiteren einschlägig bekannten Neonazi-Strukturen organisiert.
In einem offenen Brief (am 29.07.2025 an die Redaktion von TV Mainfranken weitergeleitet) wenden sich nun mehrere Würzburger Initiativen, Kulturschaffende sowie Mitglieder des Bundestags und Stadtrats an Würzburgs Oberbürgermeister Martin Heilig (Bündnis 90/Die Grünen). Sie werfen ihm Untätigkeit vor und fordern ein klares öffentliches Zeichen gegen den Aufmarsch.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Heilig,
mit großer Bestürzung nehmen wir zur Kenntnis, dass am Samstag, den 2. August, eine Demonstration unter dem Titel „Europa Erwache“ in Würzburg stattfinden soll. Diese wird organisiert von der NPD-nahen „Division Franken“ und weiteren einschlägigen rechtsextremen Gruppierungen. Der Titel dieser Veranstaltung ist keine harmlose Provokation, sondern eine bewusste Anlehnung an den historischen NS-Kampfruf „Deutschland erwache“, der auf SA-Standarten prangte und zentraler Bestandteil nationalsozialistischer Propaganda war. Heute wird diese Parole unter Rechtsextremen gezielt in abgewandelter Form verwendet, um völkische, rassistische und demokratiefeindliche Ideologie unter einem scheinbar neuen Mantel in den öffentlichen Raum zu tragen.
Wir weisen mit Nachdruck darauf hin, dass dies auch eine strafrechtliche Dimension hat. § 86a StGB stellt das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe, auch in abgewandelter Form, wenn eine funktionale Gleichwertigkeit zum Original besteht. Der Slogan „Europa Erwache“ erfüllt diese Voraussetzung im Kontext einer von Neonazis getragenen Veranstaltung nach unserer Auffassung in vollem Umfang. Darüber hinaus könnten Inhalte der Versammlung – insbesondere Redebeiträge oder Symbole – eine strafbare Volksverhetzung nach § 130 StGB darstellen. Auch das Versammlungsgesetz (§ 15 Abs. 1 VersG) eröffnet die Möglichkeit, eine Demonstration zu verbieten, wenn die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet ist. Angesichts der NS-verwandten Rhetorik, der einschlägigen Veranstalter und der absehbaren Wirkung auf das Stadtklima wäre ein solcher Schritt aus unserer Sicht nicht nur rechtlich haltbar, sondern geboten gewesen.
Doch statt eines solchen Verfahrens erleben wir in Würzburg das Gegenteil: Schweigen. Untätigkeit. Kein Versuch, den Rechtsweg auch nur zu beschreiten. Kein öffentliches Signal, kein sichtbarer Einsatz für den Schutz unserer Stadtgesellschaft. Das ist nicht nur politisch enttäuschend, sondern ein fatales Zeichen an alle, die sich tagtäglich gegen rechte Hetze und für eine offene Gesellschaft engagieren.
Umso unverständlicher ist dieses Nichthandeln vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Wahlversprechen. Viele Bürger:innen haben Sie gewählt, weil Sie für ein progressiveres, weltoffenes und klares Würzburg stehen wollten, auch und gerade in Abgrenzung zu rechten Strukturen. Im Wahlkampf haben Sie wiederholt betont, dass Sie für eine demokratische, antifaschistische Stadtgesellschaft einstehen. Dass Sie nun angesichts eines Neonazi-Aufmarschs schweigen, steht im klaren Widerspruch zu diesen Versprechen. Viele Wähler:innen hatten sich ein deutliches Zeichen von Ihnen erhofft – ein Zeichen, das bislang ausgeblieben ist.
Eine Stadt, die Antifaschismus zur Erinnerungskultur erklärt, muss diesen auch im Hier und Jetzt konkret leben: Mit Handlung und mit dem Mut, auch rechtlich schwierige Wege zu gehen.
Wir fordern Sie daher eindringlich auf, nicht länger passiv zu bleiben. Positionieren Sie sich öffentlich gegen diesen Aufmarsch. Prüfen Sie bei rechtsextremen Versammlungen frühzeitig und konsequent die Möglichkeit eines Verbots. In einer Zeit, in der Rechtsextreme wieder marschieren, darf es kein bequemes „Das bringt eh nichts“ geben. Auch ein gescheiterter Versuch kann ein starkes Signal senden: Diese Stadt schaut nicht weg. Sie schützt.
Erfreulicherweise hat sich bereits ein breiter Gegenprotest formiert. Unter dem Motto „Nazi-Kundgebung verhindern!“ ruft ein zivilgesellschaftliches Bündnis am 2. August zur Gegenkundgebung in der Innenstadt auf. Beginn ist um 13.30 Uhr. Ebenso findet eine halbe Stunde davor der „Animal Liberation March“ am Unteren Markt statt. Diese Initiativen verdienen nicht nur Respekt, sondern auch aktive Unterstützung durch die Stadt, etwa durch Infrastruktur, klare Positionierung und Schutz vor Einschüchterung.
Demokratien sterben nicht mit einem Paukenschlag, sondern mit Gleichgültigkeit. Würzburg darf keine Bühne für Nazi-Propaganda und rechtsextreme Umtriebe bieten. Die Stadt muss ihre Bürger:innen mit allen verfügbaren Mitteln schützen. Zeigen Sie Haltung! Nicht irgendwann, sondern jetzt.
Mit enttäuschten, aber entschlossenen Grüßen
Mitzeichner:innen:
Aaron Valent (Mitglied des Bundestages), Agnes Conrad (Mitglied des Bundestages),
Barbara Meyer (Fraktionsvorsitzende Die Linke im Würzburger Stadtrat),
Anna-Maria Dürr (Die Linke im Stadtrat), Petra Pohl (Die Linke im Stadtrat),
Felicia Müller und Markus Heinlein (Kreisvorsitzende Die Linke Würzburg Mainfranken),
Birgit Süss (Sängerin und Kabarettistin), Georg Hanna-Keller (ehem. Florakreis Würzburg),
Dr. Renate Vieth-Laßmann (Ökopax), Dr. med. Thomas Schmelter M.A. (Würzburger Friedenspreis),
Sophia Stuhlreiter (Studis gegen Rechts)
Bereits am Freitag (25.07.2025) erklärte Oberbürgermeister Martin Heilig in einer Pressemitteilung, dass die Stadt Würzburg sich klar zu Toleranz und gegen Ausgrenzung bekenne. „Würzburg steht für ein respektvolles, vielfältiges Miteinander. Wir wollen hier keinen Rassismus und keine Ausgrenzung wie auch keine rückwärtsgewandten Ideologien“, betont Heilig.
Er erklärte, dass die Stadt die Möglichkeit geprüft habe, die Demonstration zu verbieten, jedoch stellte er klar, dass Demonstrationen grundgesetzlich durch das Recht auf Meinungsfreiheit geschützt seien. Die Stadtverwaltung habe daher lediglich die Versammlung angezeigt, könne jedoch nur in Ausnahmefällen verbieten.
Weiterhin erklärte er, dass die Stadt die Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) eingeschaltet habe und die Sicherheitslage mit der Polizei gesichert werde. Die Teilnehmer:innen aller Kundgebungen sind zur Friedlichkeit aufgerufen.