Der Würzburger IT-Rechtsanwalt Chan-jo Jun ist spätestens seitdem er die Grünen-Politikerin Renate Künast bei ihrer Klage gegen Facebook bzw. das Unternehmen Meta vertreten hat, kein unbekanntes Gesicht mehr. Vor Gericht und im Internet setzt er sich offen gegen Hasskriminalität ein – und erntet dafür nicht nur Lob. Nun hat Jun Konsequenzen gezogen und sich von der Plattform Twitter verabschiedet. Was es damit auf sich hat.
Mehrere Jahre befand sich die Politikerin Renate Künast im Rechtsstreit wegen Beschimpfungen und Hasskommentaren auf Facebook. Als Künast damals dagegen vorging, stufte das Berliner Landgericht die Beschimpfungen als gerade noch hinnehmbar ein – Künast aber sah das anders. 2021 reichte sie dann mit Unterstützung des Würzburger Anwaltes Chan-jo Jun Klage ein. Sie wollte von Meta die Daten derer Nutzer erhalten, die ihr auf Facebook übel zugeredet hatten, um gegen diese Personen vorzugehen. Anfang 2022 gab ihr das Bundesverfassungsgericht recht und hob die Entscheidung des Berliner Gerichtes auf.
Vor Kurzem, als die Debatte um den Ballermann-Hit „Layla“ entfachte, legte sich Jun mit dem Bundesjustizminister an. Der Bundesjustizminister Marco Buschmann hatte über Twitter zur Layla-Debatte Stellung genommen: „Man muss Schlagertexte nicht mögen. Man kann sie sogar doof oder geschmacklos finden. Sie aber behördlich zu verbieten, finde ich, ist eins zu viel“.
Jun aber sieht das anders. Der Partysong sei von der Kunstfreiheit gedeckt, ein „behördliches Verbot“ gebe es gar nicht. „Justizminister verbreitet Quatschjura über Würzburg“, erklärte Jun daraufhin über die Plattform Instagram.
Auch auf Twitter war der Würzburger Rechtsanwalt aktiv. Mehr als 70.000 Menschen folgten ihm, er erzielte eine ordentliche Reichweite. Vergangenes Wochenende aber hat Jun seinen Twitter-Account deaktiviert.
Der Rückzug von der Kurznachrichtenplattform ist eine Reaktion auf die jüngsten Geschehnisse in Österreich.
Lisa-Maria Kellermayr war eine österreichische Ärztin, die sich öffentlich für Impfungen und einen umsichtigen Umgang mit der Pandemie eingesetzt hatte. Im Netz schlug ihr dafür viel Hass entgegen, es folgten Morddrohungen gegen sie und ihre Kollegen. Die Bedrohung war so groß, dass Kellermayr auf eigene Kosten einen bewaffneten Wachmann engagierte. Zuletzt war die Gefahr aber so groß, dass sie die Praxis endgültig schloss.
Ende letzte Woche dann die tragische Nachricht: Die Ärztin habe Suizid begangen. Sie sei tot in ihrer Praxis aufgefunden worden – der Druck und Hass sei offenbar nicht mehr auszuhalten gewesen.
Engagement und Aufklärung hätten zu Hass, Bedrohungen, Ruin und mutmaßlich zum Tod geführt, vermutete der Würzburger Anwalt Jun daraufhin auf Twitter.
Im Gespräch mit „BR24“ äußerte sich der Würzburger Medienanwalt Chan-jo Jun zu seinem Abschied von Twitter. Der vergangene Freitag sei für ihn nur der Höhepunkt einer grauenvollen Woche gewesen. Auch er erhalte regelmäßig Drohungen und Anfeindungen. Diese seien aber nicht der Auslöser für seinen Rückzug von der Plattform. Vielmehr habe er die Mission gehabt, durch juristische Hinweise Diskussionen auf Twitter zu versachlichen. Dies habe allerdings nicht funktioniert.
Jun zieht sich nun von Twitter zurück, will aber weiterhin aktiv im Kampf gegen Hasskriminalität bleiben. Gegen über „BR24“ erklärte er: „Ich werde nicht weniger Zeit in das Thema investieren, aber auf anderem Wege.“
Wenn Sie unter Suizidgedanken leiden, können Sie sich rund um die Uhr Hilfe suchen. Die Telefonsorge ist kostenfrei für alle erreichbar unter 0800 1110-111 oder 0800 1110-222.